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Wissenschaftsrat: Schwere Mängel an Medizin-Unis  
  "Gravierende Entwicklungshemmnisse" für die drei Medizinischen Universitäten stellt der Österreichische Wissenschaftsrat in einem Bericht über Struktur und Entwicklung der Medizin-Unis fest.  
Wie die Tageszeitung "Der Standard" in ihrer Mittwoch-Ausgabe berichtet, werden in dem Bericht u. a. die "unzulässige Verwendung von Bundesmitteln für Krankenversorgung" und mangelndes Zeitbudget für wissenschaftliche Arbeit kritisiert, so dass klinische Forschung "bisher weitgehend als 'Feierabendforschung' durchgeführt worden" sei.
"Gravierende Entwicklungshemmnisse"
Der Wissenschaftsrat hat zur kontinuierlichen Beobachtung der Strukturen und Entwicklungen der drei Medizin-Unis einen eigenen Ausschuss eingesetzt.

Bei den Analysen der Jahre 2006 und 2007 wurden "einige Probleme identifiziert, die für alle drei Universitäten ein so gravierendes Entwicklungshemmnis darstellen", dass sich das Beratungsgremium verpflichtet sah, einen ersten Zwischenbericht zu verfassen.

Ein Endbericht soll Anfang kommenden Jahres vorgelegt werden.
Getrennt: Patientenbetreuung und Forschung
Als "zentrales Problem" der Med-Unis sieht der Wissenschaftsrat die zwangsläufige Trennung der Zuständigkeiten für die durch den Bund finanzierte Lehre und Forschung einerseits und für die Krankenversorgung durch die landeseigenen Krankenanstaltenträger andererseits.

Dies habe "zur Entwicklung von weitgehend voneinander getrennt agierenden Führungsstrukturen und Managementsystemen geführt", heißt es in dem Bericht.
Undurchsichtige Quersubventionierung
Eine der Konsequenzen daraus ist die "unzulässige Verwendung von Bundesmittel für die Krankenversorgung". Der Bund ersetze seit über 50 Jahren die Mehrkosten, die an den Uni-Kliniken aus den Bedürfnissen der universitären Lehre und Forschung entstehen, das ist der sogenannte Klinische Mehraufwand.

Dem Wissenschaftsrat war es nicht möglich, eine auch nur annähernd genaue Bemessung des Quersubventionierungsbetrages, den die Krankenanstaltenträger aus dem Klinischen Mehraufwand verwenden, zu ermitteln.

"Da dieses Finanzvolumen der Kernaufgabe von Forschung und Lehre entzogen wird", sieht der Wissenschaftsrat darin einen "gravierenden Nachteil der österreichischen Universitätsmedizin im internationalen Wettbewerb".
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Wissenschaftsrat
Der Österreichische Wissenschaftsrat ist ein Beratungsgremium des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung, der gesetzgebenden Körperschaften und der Universitäten.
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Doppelte Personalstrukturen
Verstärkt werde dieser Wettbewerbsnachteil durch zwei getrennte Personalstrukturen in der Krankenversorgung: Ärzte und medizinisches Hilfspersonal würden entweder vom Bund oder von der jeweiligen Trägergesellschaft des Landes finanziert, was zu "Ungleichheiten durch das Dienstrecht mit Auswirkungen auf die Bezahlung und die Karrierewege in der Uni" führe.

So sei es für das beim Land angestellte Klinikpersonal "nicht die primäre Motivation, sich in Lehre und Forschung zu engagieren".
Konsensorientierung statt Exzellenz
Kritisch sieht das Gremium auch die Schwerpunkt-Setzung in der Forschung an den drei Med-Unis. Dem Rat "drängt sich der Eindruck auf", dass es sich bei den meisten Forschungsschwerpunkten "nicht primär um strategisch geplante, international wettbewerbsfähige und exzellent ausgestattete Schwerpunkte handelt, sondern eher um solche, die dem bisherigen 'lokalen Kräfteverhältnis' entsprechen, um so möglichst breite Unterstützung bei betroffenen Instituten und Kliniken zu finden. Es handelt sich also eher um einen Konsensprozess als um ein Selektionsverfahren".
Keine Zeit für Forschung
Bei Nachwuchswissenschaftlern ortet der Wissenschaftsrat "kein angemessenes Zeitbudget für kompetitive Forschung, da die Routinekrankenversorgung dies nicht zulässt".

Die klinische Forschung sei deshalb bisher weitgehend als "Feierabendforschung" durchgeführt worden und dem Engagement der Einzelnen überlassen gewesen.

[science.ORF.at/APA, 6.2.08]
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01.01.2010