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Konkurrenz-Zyklen sichern die Artenvielfalt  
  Wie entsteht Artenvielfalt in Ökosystemen? Deutsche Forscher haben nun in einem Physikjournal eine ungewöhnliche Antwort veröffentlicht: Artenreich sind u.a. solche Systeme, in denen die Konkurrenz kreisförmig geschlossen ist.  
Das berichten Jens Christian Claussen von der Uni in Kiel und Arne Traulsen vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön.
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Der Artikel "Cyclic dominance and biodiversity in well mixed populations" von Jens Ch. Claussen und Arne Traulsen" ist in den "Pysical Review Letters" (Bd. 100, 8. Februar 2008) erschienen.
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"Schere-Stein-Papier"
Zyklische Beziehungen lassen sich laut den Forschern am besten anhand des Fingerspiels "Schere-Stein-Papier" erläutern: Der Stein schleift die Schere, die Schere schneidet das Papier und das Papier wiederum wickelt den Stein ein - es gibt also keine Strategie, die überlegen ist.

In der Biologie gibt es dieses Phänomen auf ganz unterschiedlichen Ebenen, etwa bei bestimmten Leguanarten: Ein Typ von Leguanen lebt auf großen Territorien mit mehreren Weibchen. In diese Territorien können andere Leguane eindringen, die sich nicht an der Verteidigung beteiligen, aber sich mit den Weibchen paaren.

In diesem Fall ist es von Vorteil, sich auf ein kleines Territorium mit nur einem Weibchen zu beschränken. Wenn diese Strategie dann die Trittbrettfahrer verdrängt hat, dann wird es wieder vorteilhaft, alleine ein Territorium mit mehreren Weibchen zu verteidigen.
Selbst bei Bakterien wechselt die Dominanz
Ein weiteres Beispiel liefern drei Typen von Kolibakterien: Der ursprüngliche Bakterien-Typ wird durch eine Variante verdrängt, die ein Gift produziert, das der ursprüngliche Bakterien-Typ nicht verträgt.

Wenn dieser aber ausgestorben ist, wird die Produktion des Giftes zur Ressourcenverschwendung. In diesem Fall kann sich jenes Bakterium durchsetzen, das resistent gegen das Gift ist, selber aber kein Gift mehr produziert. Gewinnt es die Oberhand, wird aber auch die Aufrechterhaltung der Resistenz sinnlos und der ursprüngliche Typ setzt sich wieder durch - der Kreislauf beginnt von vorne.
Verdrängung und Stabilisierung
Schon vor zwei Jahrzehnten wurde dieses komplizierte Wechselspiel, wie sich drei unterschiedliche Strategien gegenseitig verdrängen und stabilisieren, durch die evolutionäre Spieltheorie beschrieben: Treffen zwei verschiedene Strategien aufeinander, so erhalten sie - in der Sprache der Spieltheorie - einen Spielgewinn, der ihre Fortpflanzungsrate erhöht.

Die Sache hat jedoch laut den Forschern einen kleinen Haken: Der Gewinn eines Spielers, der Schere zeigt, und der Verlust des anderen Spielers, der etwa Papier zeigt und somit verliert, addieren sich zu Null. "Das Spiel 'Schere-Stein-Papier' ist ökonomisch gesprochen ein Nullsummenspiel", erklärt Arne Traulsen vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie. Dies sei aber in der Biologie ohnehin nur ein unnatürlicher Spezialfall.
Wann Arten überleben
Verteilt man entsprechend den Regeln der evolutionären Spieltheorie die Punkte, so stellt man fest, dass bei den Kolibakterien die Interaktion zweier verschiedener Strategien in der Summe negativ ist, während bei den Leguanen eine positive Punktesumme zustande kommt - ein kleiner, aber wesentlicher Unterschied.

Und genau diesen haben die beiden Wissenschaftler genauer analysiert. Dabei konnten sie zeigen, unter welchen Bedingungen bei einer solch positiven Punktsumme die Koexistenz der Strategien möglich wird und alle beteiligten Spezies überleben.
Populationsgröße wichtiger als Raum
Und sie haben exakt ausgerechnet, wie groß die Population mindestens sein muss: "Wenn die Populationen groß genug sind, dann ist die räumliche Ausdehnung des Lebensraumes unwichtig", so Traulsen. Sinkt die Populationsgröße aber unter eine kritische Grenze, dann sterben zwei der drei Arten in kurzer Zeit aus.

Für negative Punktsummen steigt das Risiko des Aussterbens bei Einschränkung des Lebensraumes stark an. Es sei also nicht nur wichtig, Lebensräume zu erhalten, sondern auch die Wechelwirkung zwischen den Arten.

[science.ORF.at/MPG, 8.2.08]
->   Arne Traulsen
->   Jens Christian Claussen
->   Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie
->   Christian-Albrechts-Universität
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Spieltheorie als Instrument der Evolutionsforschung (6.2.04)
->   Globaler Zugang zu "Bio-Daten" (21.2.02)
 
 
 
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01.01.2010