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"C.S.I. Malaria" überführt Medikamentenfälscher  
  In Teilen von Afrika und Asien ist die Hälfte aller Medikamente gegen Malaria gefälscht. Manche von ihnen beinhalten giftige Substanzen, andere zwar wirksame Stoffe, aber in zu geringen Dosierungen: Den Patienten nützen sie nichts, die Malaria-Erreger werden zudem resistent. In einer bisher einzigartigen Zusammenarbeit haben nun Polizisten, Mediziner und Forensiker eine Fälscherbande in China auffliegen lassen, die eine Viertelmillion Menschen mit den gefährlichen Präparaten versorgt hat.  
"Die Fälscher haben bisher ohne Bestrafung Menschen getötet", meinte der Tropenmediziner Paul Newton von der Universität Oxford. "Wenn die Malaria gegen bestimmte Mittel resistent wird, werden die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit in den Tropen katastrophal sein."
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Der Artikel "A collaborative epidemiological investigation into the criminal fake artesunate trade in South East Asia" von Paul Newton et al. ist in der Open-Access-Zeitschrift "PLoS Medicine" erschienen (11.2.08; 5/2, e32).
->   Der Artikel
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Eine Million Tote pro Jahr
Rund 500 Millionen Menschen erkranken pro Jahr an Malaria, schätzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO), eine Million davon stirbt. Obwohl laufend an neuen Therapieformen geforscht wird, gehören Medikamente, die auf Artemisin und abgeleiteten Stoffen beruhen, noch immer zu den wichtigsten Mitteln.

Darunter befindet sich auch Artesunat, das wie andere Derivate den Malaria-Erreger Plasmodium falciparum bekämpft. Bis zur Hälfte aller Artesunat-Medikamente sind nach Schätzungen in Südostasien gefälscht.

Oft enthalten sie zwar Artesunat, aber in zu geringen Mengen - zu wenig um zu schützen, aber genug um zu Resistenzen des Erregers zu führen.
Echte und gefälschte Medikamente verglichen
Vor diesem Hintergrund hat sich vor drei Jahren eine bisher einzigartige Arbeitsgruppe gegründet, bestehend aus Experten der Interpol, der WHO und des britischen Wellcome Trust.

Gemeinsam analysierten sie mit unterschiedlichen Methoden 391 Proben gefälschter und echter Artesunat-Medikamente, die aus Vietnam, Kambodscha, Laos, Myanmar und Thailand stammten.
Verpackungen und Inhalte falsch
 
Bild: Paul Newton

Schon bei der Verpackung zeigten sich Fälschungen: Insgesamt wurden 16 falsche Hologramme auf den Packungen identifiziert, die eigentlich die Echtheit garantieren sollten (siehe Bild oben: links das Original, rechts die Fälschung).

Chemische Analysen führten zu keinen oder nur sehr geringen Spuren von Artesunat. Dafür wurde eine Reihe anderer Bestandteile entdeckt: von Stoffen wie das in vielen Ländern verbotene Schmerzmittel Metamizol über Safrol, das krebserregend wirkt und Ausgangsmaterial für die Herstellung der Droge Ecstasy ist, bis zum Fiebersenker Paracetamol und verschiedenen Antibiotika.
->   Powerpoint-Präsentation der gefälschten Artesunat-Medikamente
Forensiker ermittelten Herkunft in China
Bild: Guilin
Das Original der Firma Guilin Pharmaceutical
(mit Hologramm rechts oben)
Die Analyse von Pollen, mit denen die Medikamente verunreinigt waren, führte die Ermittler schließlich auf ihre geographische Herkunft: Zumindest ein Teil davon stammte aus dem Südosten Chinas.

Mit diesen Ergebnissen konfrontierte die Arbeitsgruppe die entsprechenden Behörden in China, die daraufhin auch tätig wurden.

2006 wurde in der Provinz Yunnan ein Mann verhaftet, der mit 240.000 gefälschte Packungen an Artesunat-Präparaten gehandelt haben soll. Ein Zehntel davon konnte sicher gestellt werden, der Rest dürfte sich weiter im Umlauf befinden.
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Österreich: Fälschungen von Viagra und Co
Während in Asien und Afrika vor allem lebensrettende Medikamente gefälscht werden, sind es in Europa und anderen reichen Staaten "Lifestyle-Produkte". Die Zahl der Medikamentenfälschungen in Österreich hat sich in den vergangenen zwei Jahren auf das 3.000-Fache erhöht, verlautbarte das zuständige Finanzministerium im Februar. Allein für gefälschte Potenzmittel seien im Vorjahr 20 Millionen Euro auf dem Schwarzmarkt ausgegeben worden. Bei nur einer einzigen Razzia hätten Zollfahnder vor kurzem 30.000 gefälschte Pillen aus dem Verkehr gezogen.
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Ein weltweiter Markt von 35 Milliarden US-Dollar
Die Forschergruppe um Paul Newton hält die Zusammenarbeit von Polizei, Medizinern, Forensikern und Pharmakologen für beispielgebend für künftige Aktionen. Nur auf diese Weise könne den Fälschern auf die Schliche gekommen und die "ungestrafte Tötung" von Patienten verhindert werden.

Der WHO zufolge machen gefälschte Präparate weltweit inzwischen sechs bis zehn Prozent aller Medikamente aus. Betroffen seien im Weltmaßstab sowohl Antibiotika als auch Schmerzmittel und gewöhnliche Vitamin-Präparate. Das jährliche Handelsvolumen betrage rund 35 Milliarden Dollar (24 Mrd. Euro).

Die Gesundheitsorganisation hat auf diese Entwicklung reagiert. 2006 wurde eine eigene Arbeitsgruppe gegründet: Die "International Medical Products Anti-Counterfeiting Taskforce" (Impact) versucht mit "internationalen Netzwerken" die Produktion, den Handel und den Verkauf von gefälschten Medikamenten zu bekämpfen.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 12.2.08
->   Impact (WHO)
->   Artesunat, Guilin Pharmaceutical
->   Oxford Tropical Medicine Research Unit
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01.01.2010