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Junkfood schädigt Nachwuchs von Seevögeln  
  Fischereiabfälle sind für Seevögel ein gefundenes Fressen: Ohne viel Aufwand können sie sich den Bauch vollschlagen, und um Nachschub brauchen sie sich angesichts der florierenden Fischereiindustrie auch nicht zu kümmern. Angesichts dieser Zustände möchte man meinen, dass sich die Vögel übermäßig vermehren. Forscher konnten aber nun zeigen, dass für den Nachwuchs Junkfood gar nicht gut ist.  
Beim Kaptölpel (Morus Capensis), einem Raubvogel, der die Atlantikküste zwischen Südafrika und Angola bevölkert, schadet laut einem internationalen Forscherteam die Ernährung von Abfällen und Resten den Nachkommen: Sie bekommen nicht die nötige Energie und verenden geschwächt. Zurückzuführen sei das auf geringe Kalorienmenge, die das Junkfood im Vergleich zu frischem Fisch aufweise.
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Die Studie "A junk-food hypothesis for gannets feeding on fishery waste" von David Grémillet (Centre National de la Recherche Scientifique, Strassburg/Belgien) und Kollegen ist am 12. Februar 2008 in den Proceedings der britischen Royal Society erschienen (DOI:10.1098/rspb.2007.1763).
->   Zu den Proceedings: Biological Sciences
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7,3 Millionen Tonnen Abfall pro Jahr
Jedes Jahr produziert die Fischereiindustrie enorme Mengen an Abfall: 2005 schätzte man die jährlichen Müllberge aus Fischresten auf rund 7,3 Millionen Tonnen, allein die hochindustrialisierte Hecht-Fischerei in Südafrika trägt laut Schätzungen 52.500 Tonnen Abfall jährlich bei.

Bei Fischresten bedeutet Abfall aber nicht nur Belastung: Für einige Tierarten wurde das Überleben durch die Müllberge einfacher. Albatrossen, großen Möwen und Sturmvögeln verlieh die einfache Verfügbarkeit von Nahrung einen Entwicklungsschub: Sie legten sowohl an Anzahl als auch an Körpermasse zu, wie der Meereskundler Mark Tasker in einer Studie festhielt.
->   Studie "The impacts of fishing on marine birds" (.pdf)
Kaptölpel wurden untersucht
 
Bild: Wikipedia

Die Forscher um David Grémillet wollten diese Aussage, dass Abfall aus der Fischereiindustrie Seevögeln das Leben eher erleichtere als erschwere, überprüfen.

Als Untersuchungsgegenstand wählten sie die Kaptölpel, die vor den Küsten Benguelas, einer Provinz des südwestafrikanischen Staates Angola, mit mehr als einer halben Million Tiere die größte Gruppe an Raubvögeln stellen (Bild oben: eine Brutkolonie im Naturschutzgebiet Birds Island, Lamberts Bay, Südafrika).
Sardellen und Sardinen locken Vögel und Mensch
In den Gewässern vor Benguela finden die Vögel normalerweise reichlich Fisch. Die Sardellen, Sardinen und von ihnen lebenden Raubfische wie Seehechte sind aber nicht nur für die Tiere interessant, sondern auch für die Menschen.

Es etablierte sich in dieser Region eine riesige Fischereiindustrie: Im Untersuchungsjahr 2005 fuhren Schiffe 45.458 Mal für großräumiges Fischen mit Schleppnetzen los.
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Hervorgewürgtes untersucht
Wie kann aber festgestellt werden, ob die Kaptölpel auf hoher See primär lebende Fische verspeisten oder sich doch lieber die bei der Fischverarbeitung entstehenden Abfälle zu Gemüte führten?Die Forscher wählten den direkten Weg: Sie analysierten die Nahrung, die die insgesamt 444 Kaptölpel nach ihren Beutezügen herauswürgten, um damit ihren Nachwuchs zu füttern.
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Mehr Abfall, weniger Kalorien
Dabei zeigte sich, dass nur 15 Prozent des Verspeisten aus frischen Meeresfischen bestand, den Rest machten Abfälle aus (was aufgrund der Stückgröße und Beschaffenheit festgestellt werden konnte).

Der hohe Abfallanteil spiegelte sich aber direkt im Kaloriengehalt der Nahrung: Er war um 37 Prozent geringer, als wenn sich der Vogel nur von Sardinen ernährt hätte, bzw. 19 Prozent geringer als bei Sardellen-Kost.
Viele Jungvögel starben an Entkräftung
Die schlechten Energiewerte des Junkfood wirkten sich wiederum auf den Nachwuchs aus: Wurden sie damit gefüttert, kamen sie nicht richtig zu Kräften, viele starben an Entkräftung.

Zwischen 2005 und 2006 überlebten nur 0,02 Jungvögel pro Nest - der niedrigste Wert, der für diese Vogelart jemals festgestellt wurde.
Bisher Sorge nur wegen Vermehrung
David Grémillet und seine Kollegen sehen ihre Studie als ein weiteres Puzzlesteinchen, das sie einem Gesamtbild der Wechselwirkungen zwischen Fischereiindustrie und Ökosystem hinzufügen.

Bisher habe man sich hauptsächlich Sorgen gemacht, dass die leichte Verfügbarkeit von Fischabfällen zu einer explosionsartigen Vermehrung von Seevögeln führe - Grémillet und Kollegen zeigten, dass für den Nachwuchs Junkfood tödlich sein kann.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 13.2.08
->   Centre National de la Recherche Scientifique
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01.01.2010