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Rot und Blau: Farben der Sieger?  
  Die Farbe des Trikots kann im Sport zwischen Erfolg und Misserfolg entscheiden, lautet die These von Evolutionspsychologen. Einige Studien schienen das zu bestätigen und erklärten Rot als Farbe der Sieger, später gesellte sich auch Blau dazu. Eine neue Untersuchung zeigt nun: Zumindest bei Blau geht der Effekt auf statistische Fehler zurück.  
Die Hoffnung trägt Rot
Angesichts der jüngsten Spielergebnisse spricht nicht viel für ein erfolgreiches Abschneiden unserer Fußball-Nationalmannschaft bei der Euro 2008. Ausgenommen vielleicht die Tatsache, dass das österreichische Team bei diesem Turnier wieder im traditionellen Cordoba-Rot antreten wird.

Denn bei der letzten EM waren Mannschaften mit roten Leibchen erfolgreicher als solche mit anderen Farben, wie eine statistische Analyse der EM 2004 nahe legt. In der selben, im Fachjournal "Nature" (Bd. 435, S. 293) veröffentlichten Studie zeigten die beiden Biologen Russell Hill und Robert Barton überdies, dass es in Kampfsportarten einen ähnlichen Effekt gibt: Boxer, Takwondo-Kämpfer und Ringer mit roten Outfits waren bei den Olympischen Spielen 2004 offenbar öfter siegreich als ihre Kontrahenten in Blau.
Ausdruck von Dominanz
Die Erklärung der beiden Forscher von der University of Durham nimmt Anleihen bei der Evolutionspsychologie. Rot sei bei vielen Tierarten eine Signalfarbe, die vom Testosterongehalt im Blut abhänge und für Dominanz und aggressives Verhalten stehe.

Das stimmt zweifelsohne, die Frage ist nur, ob man diese Argumentation so ohne weiteres auf den Menschen übertragen kann. Hill und Barton tun es jedenfalls: Ein rotes Gesicht signalisiere unter Umständen Wut, worauf übrigens bereits Darwin 1872 in "The expression of the emotions in man and animals" hingewiesen habe, deshalb wirke die Farbe tendenziell einschüchternd und sei daher im sportlichen Wettbewerb ein Vorteil, schreiben die beiden in ihrer Arbeit.
"Sehr spekulativ"
Hans Winkler vom Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Akademie der Wissenschaften betont indes, dass man verschiedene Tierarten nicht unbedingt über einen konzeptionellen Kamm scheren sollte. Zwar habe die Farbe Rot oft etwas mit dem Nahrungsangebot zu tun, "es ist aber noch nicht einmal geklärt, ob beispielsweise rote Früchte das Deutungsschema von Tieren geprägt haben oder ob umgekehrt das Schema die Farbe der Früchte beeinflusst hat."

Die Begründungen für den Signalcharakter von Rot seien etwa bei Vögeln und Primaten sehr unterschiedlich. "Insofern halte ich es für sehr spekulativ, hier eine allgemeine Regel zu formulieren."
Judo: Blaue Gewinner
 
Bild: EPA

Nicht in das Konzept vom Testosteron im T-Shirt dürfte auch eine Studie passen, die ein halbes Jahr später in "Nature" (Bd. 437, S. E10) erschienen ist. Darin analysierte ein Team um Candy Rowe von der University of Newcastle das Judo-Turnier der Olympischen Spiele 2004 und wies einen ähnlichen Siegereffekt nach wie zuvor Hill und Barton.

Nur gibt es bei den Judokas keine roten Dressen, sondern nur weiße und blaue. Und die mit den blauen Anzügen waren der Studie zufolge eindeutig die erfolgreichern.
Wahrnehmungs- oder Evolutionspsychologie?
Rot als Farbe des Kriegsgottes Mars, als Farbe des Feuers und des Blutes mag ja noch irgendwie mit der Evolutionspsychologie zusammengehen. Aber Blau? Kann man mit dem Blues Kämpfe gewinnen? Wohl kaum. Dementsprechend setzten Rowe und ihre Mitarbeiter auf eine alternative Hypothese: Weiße Anzüge seien heller als blaue, die Bewegungen weiß-gewandeter Gegner könne man besser erkennen und antizipieren, daher seien die blauen Judoka im Vorteil.

Das ließen Hill und Barton nicht auf sich sitzen und veröffentlichten an selber Stelle eine Entgegnung, in der sie auf Unterschiede zwischen Männern und Frauen hinwiesen. Der Farbeffekt sei nämlich nur bei männlichen Kampfsportlern nachzuweisen, schrieben sie, das deute stark auf sexuelle Selektion hin. Also doch Evolutionspsychologie.
Statistische Patzer
Noch komplizierter wird die Sache, wenn man nun die aktuelle Ausgabe der "Proceedings of the Royal Society" ( doi:10.1098/rspb.2007.1700) aufschlägt. Da widmen sich ebenfalls zwei Forscher diesem Problem, und das Ergebnis fällt für die vorherigen Studien nicht sehr schmeichelhaft aus. Peter Dijkstra und Paul Preenen von der Uni Groningen nahmen sich noch einmal die Daten der Judoka-Studie vor und kamen zu dem Schluss, dass den Autoren elementare statistische Fehler unterlaufen seien.

Candy Rowe und ihre Mitarbeiter hätten etwa übersehen, dass es bei Olympia 2004 einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Ranglistenplatz eines Kämpfers und der Anzugfarbe gegeben habe. Top-gesetzte Athleten wurden nämlich so im Turnierplan platziert, dass sie möglichst spät aufeinander trafen - und erhielten alle in der ersten Runde einen blauen Anzug.

Da half es auch nichts, dass die Farbe in den nächsten Runden immer wieder gewechselt wurde, der Bias, wie das die Statistiker nennen, blieb bestehen. Überspitzt ausgedrückt: Blau war deswegen die Farbe der Sieger, weil die stärksten Kämpfer öfter blaue Anzüge trugen.
Zurück zum Start?
Auf diesen, für eine "Nature"-Publikation erstaunlich trivialen Fehler hatten zwar Rowe und Kollegen im Mai 2006 zwar per Corrigendium hingewiesen und die Rechnung erneut - diesmal ohne erste Turnierrunde - durchgeführt. Doch auch das sei noch immer nicht korrekt, betonen Dijkstra und Preenen: Selbst ohne Runde eins bleibe eine systematische Verzerrung bestehen. Das Ganze sei ein Scheineffekt, sonst nichts.

Ähnliches könnte überdies für die bisherigen Sport-Studien zur Farbe Rot gelten, schreiben die beiden, eine Neuanalyse sei jedenfalls angezeigt. Dann wird sich zeigen, ob hier tatsächlich ein evolutionär geprägtes Deutungsschema am Werk ist - oder doch nur statistische Schluderei.

Robert Czepel, science.ORF.at, 13.2.08
->   Rijksuniversiteit Groningen
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01.01.2010