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Neues Material kann Bruchstellen selbst heilen  
  Den Wunsch, dass sich ein Material doch selbst heilen möge, hatte wohl jeder schon einmal: Sei es beim neuen Kleid, das schon nach dem erstem Ausführen ein Loch hat, oder beim Auto, an dem der Nachbar beim Ausparken leider angestreift ist. Französischen Forschern ist es gelungen, einen Gummi herzustellen, der Bruchstellen selbsttätig wieder verschließen kann.  
Das Material besteht aus Molekülketten, die durch Wasserstoffbrücken verbunden sind. Werden die Ketten an einer bestimmten Stelle unterbrochen, bleiben die Enden offen für neue Verbindungen. Hält man das andere Ende dazu, schließen sich die Moleküle neu zusammen - sie heilen die Bruchstelle sozusagen.
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Die Endeckung der Forscher um Ludwig Leibler von der École Supérieure de Physique et Chimie in Paris wurde im Artikel "Self-healing and thermoreversible rubber from supramolecular assembly" in "Nature" präsentiert (Ausgabe vom 21. Februar 2008, doi:10.1038/nature06669).
->   Zum Abstract
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Böse Geister im Gummi
Als die spanischen Konquistadoren die Azteken mit einem hüpfenden Ball spielen sahen, nahmen sie an, dass die Kugel von bösen Geistern bewohnt sein müsste.

"Was hätten sie erst gesagt, wenn man den Ball in zwei Hälften hätte schneiden können, und durch Aneinanderhalten der beiden Teile wäre wieder ein Ganzes entstanden?" fragen die Materialwissenschaftler Justin Mynar und Takuzo Aida von der Universität Tokio in einem die Studie begleitenden Kommentar.
Selbstheilung keine Zauberei
Bild: Nature
Auch heute noch hat es den Hauch von Zauberei, wenn ein Material, das man in zwei Teile schneidet, durch bloßes Aufeinanderdrücken der Enden wieder ganz erscheint. Für die Forschung ist die Suche nach selbstheilenden Materialen aber kein - der Unterhaltung dienender - Selbstzweck, sondern durch großes Interesse der Industrie begründeter Ernst.

Umso spannender ist die Entwicklung, die Ludwig Leibler und Kollegen in "Nature" präsentieren: Sie schufen ein Material aus zwei Komponenten - solchen, die an zwei andere Moleküle binden können (im Bild rechts blau), und solchen, die mehreren anderen Molekülen Anschlussstellen bieten (die roten Gruppen). Zwischen ihnen gibt es teilweise schwache Querverbindungen durch Wasserstoffbrücken (im Bild die gestrichelten Linien).
Zerschneiden - andocken - geheilt
 
Bild: Nature

Unterbricht man nun diese "supramolekularen Verbindungen" wie im Bild oben dargestellt, durch einen Schnitt, bleiben die Andockstellen offen, d.h. sie wenden sich nicht nach innen, um neue Partner zu finden. Hält man das andere Ende an die Schnittstelle, beginnen sich die Molekülgruppen wieder zu verbinden: Die "Wunde" wird "geheilt".
Funktioniert bei Zimmertemperatur
Das Interessante an der Arbeit von Leibler und Kollegen ist, dass diese Selbstheilung bei Zimmertemperatur funktioniert - in früheren Versuchen hatte man die Umgebungstemperatur stark erhöhen müssen.

Zwar ist es auch bei dem von den französischen Forschern entwickelten Material so, dass es umso stabiler wird, je länger man die Enden vor einer neuerlichen Belastung andocken lässt. Aber auch nach nur 15 Minuten konnte es schon in die doppelte Länge gezogen werden, bevor er auseinander brach.
Mehrfach zusammensetzbar und ökologisch
Weitere Vorteile des neuen Materials: Es kann mehrfach zerschnitten und wieder zusammengefügt werden, und auch nach einer 18 Stunden dauernden Unterbrechung kommen die Selbstheilungsprozesse noch in Gang.

Als letzten Pluspunkt für die Entdeckung der Franzosen führen die Kommentatoren von der Universität Tokio die Umweltverträglichkeit an: Nachdem Leibler und Kollegen langkettige Moleküle von Pflanzenölen aus Ausgangsbasis verwendeten, kann das Material entsorgt werden, ohne die Umwelt zu schädigen.

[science.ORF.at, 21.2.08]
->   Video über den selbst-heilenden Gummi ("Nature")
->   Mehr über supramolekulare Chemie (Wikipedia)
->   École Supérieure de Physique et Chimie
Mehr über "Selbstheilung" in science.ORF.at:
->   Bionik: "Luftbrücke", die sich selbst repariert (31.8.07)
->   "Verletzte" Roboter im Hinkeschritt (17.11.06)
 
 
 
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01.01.2010