News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Archäologen: US-Bagger zerstören antikes Ur  
  Ur, die teils noch von Wüstensand bedeckte, sagenumwobene Sumerer-Stadt, ist nach Angaben mehrerer Augenzeugen durch Aktivitäten der US-Armee von der Zerstörung bedroht.  
"Die Errichtung von Militärstützpunkten an solchen Orten, das Ausheben von Gräben, der Bau von Schutzwällen, das Ausbaggern und die schweren Militärfahrzeuge, die quer über das archäologisch noch nicht erschlossene Gebiet rollen, all das beschädigt die antiken Stätten, und wir haben die Truppen schon oft aufgefordert, sich von diesem Gebiet fernzuhalten - ohne Ergebnis", zitierte diese Woche die Zeitung "Al-Mada" den irakische Minister für Altertümer, Mohammed al-Oraibi.
Durch Militärflughafen massiv beschädigt
Auch Margarethe van Ess, die vor der US-Invasion von 2003 im Auftrag des Deutschen Archäologischen Instituts auf dem Gebiet der antiken Stadt Uruk, einem weiteren Stadt-Staat in Mesopotamien, geforscht hatte, ist entsetzt von den jüngsten Satellitenbildern.

Diese zeigten, dass der Siedlungshügel von Ur durch den Ausbau des Militärflughafens Tallil in der Nähe der Stadt Nassirija massiv beschädigt worden sei. "Da ist ein ganzes Viertel im Südost-Teil der Stadt abgebaggert worden", empört sich die Irak-Expertin.
Verkabelung in noch nicht untersuchtem Viertel
Ähnlich vernichtend fiel auch das Urteil von John Curtis aus, der die Nahost-Sammlung des British Museum betreut. Als er vor einem Jahr in den Süden des Iraks reiste, stellte er fest, dass die US-Armee auf dem Stützpunkt Tallil, der heute Camp Adder heißt, ein Gebäude samt unterirdischer Verkabelung und Rohren in einem von den Archäologen noch nicht untersuchten Viertel der Stadt Ur errichtet hatte.
...
Vergleich mit Babylon
Die Situation in Ur, wo Gräber aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. gefunden wurden, in deren Kammern goldene Helme, Musikinstrumente und andere wertvolle Grabbeigaben aufbewahrt wurden, erinnert die Archäologen an die Lage in Babylon vor fünf Jahren. Damals hatten Forscher aus aller Welt so lange gegen die Zerstörung der Ruinen durch amerikanische und polnische Militärs protestiert, bis diese die einstige Hauptstadt von König Nebukadnezar wieder räumten.
...
Spielkarten sollen Bewusstsein schaffen
Insgesamt stellen die Archäologen den US-Militärs im Irak ein schlechtes Zeugnis aus. Doch zumindest ein Teil der Armeeführung hat inzwischen verstanden, dass die sumerischen, babylonischen und assyrischen Monumente im Irak ein Teil der Menschheitsgeschichte sind, den es zu schützen gilt.

Im vergangenen Jahr verteilten die Generäle an ihre Soldaten Spielkarten mit Fotos archäologisch bedeutender Stätten. Eine der Karten zeigt den größten frei stehenden Ziegelstein-Bogen der Welt im Stadtgebiet der antiken Stadt Ctesiphon südlich von Bagdad. "Diese Stätte hat 17 Jahrhunderte überstanden. Wird sie auch Dich überleben?", steht auf der Spielkarte mit der Kreuz Sieben.

Anne-Beatrice Clasmann, dpa, 21.2.08
->   Stadt Ur (Wikipedia)
Mehr über den Irak in science.ORF.at:
->   Bericht: Immer mehr irakische Kinder sterben (16.1.08)
->   Irak: Im Schnitt täglich 120 Opfer von Gewalt (10.1.07)
->   Forscher: Irak- und Afghanistanpolitik "desaströs" (8.10.06)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010