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Bildung fördert das Wirtschaftswachstum  
  Dass Bildung gut für die Wirtschaft sei, wurde schon oft behauptet. Wirklich bewiesen hat das allerdings noch niemand. Das haben nun Forscher um den österreichischen Demografen Wolfgang Lutz nachgeholt.  
Sie zeigen in einer aktuellen Studie: Entwicklungsländer profitieren vor allem von einem Investment in flächendeckende Grundschul- und Sekundarbildung, ein hoher Akademikeranteil zahlt sich erst für Industrienationen aus.
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Die Studie "The Demography of Educational Attainment and Economic Growth" ist im Fachjournal "Science" erschienen (Bd. 319, S. 1047; doi: 10.1126/science.1151753).
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Daten der 70er rekonstruiert
Auch wenn es Ausnahmen geben mag: Wer gebildet ist, hat tendenziell mehr im Geldbörsel. Intuitiv würde man erwarten, dass dieser Zusammenhang auch im Großen gilt, dass Gesellschaften mit hohen Bildungsstandards eben auch in ökonomischer Hinsicht gut dastehen.

Nur der Nachweis dafür seitens der Wissenschaft stand bislang noch aus. "Das liegt daran, dass die bisher verfügbaren Daten zum Thema Bildung entweder unvollständig oder zu ungenau waren", erklärt Wolfgang Lutz vom Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien.

Die Datenlücke wurde nun von Lutz und zwei Kollegen gefüllt, und zwar mit einer durchaus ungewöhnlichen Methode. Die Forscher ließen sogenannte Projektionsmodelle, mit denen man normalerweise zukünftige Entwicklungen berechnet, quasi in die falsche Richtung laufen. Ziel der Übung: Die Rekonstruktion der Bildungsverhältnisse in 101 Ländern dieser Welt bis zum Jahr 1970.

Ähnliches hatten bereits die beiden Harvard-Ökonomen Robert Barro und Jong-Wha Lee Mitte der 90er versucht, "sie haben dabei allerdings nicht die Altersstruktur der Bevölkerungen berücksichtigt", sagt Lutz. Und das ist offenbar entscheidend: Wenn man die Gesellschaft nicht in Altersschichten teilt, wie das Demografen tun, dann scheitert auch der Versuch, die wirtschaftlichen Effekt der Bildungspolitik sichtbar zu machen.
Wirtschaftswachstum berechnet
Bild: Science
Vier Szenarien: Bildungsprofile und Wirtschaftswachstum
Wie drastisch sich das Wirtschaftswachstum eines Landes durch Bildungsinvestments ändern kann, haben die drei Forscher anhand eines hypothetischen Entwicklungslandes durchgerechnet.

Ausgangspunkt war eine Gesellschaft, in der 50 Prozent Analphabeten sind, 40 Prozent die Grund- bzw. Volksschule besucht haben und nur 10 Prozent einen Sekundarabschluss (Schulbesuch bis 15 Jahre) besitzen.

Diese Verhältnisse herrschen etwa in Ländern wie Guatemala, Honduras, Kenia und Uganda. Der Analyse zufolge ist das Wirtschaftswachstum unter diesen Bedingungen auf zwei Prozent beschränkt. Würden diese Länder das UN-Millenniumsziel einer flächendeckenden Grundschulausbildung erreichen, läge ihr Wirtschaftswachstum bereits bei sechs Prozent.

Noch schneller, nämlich mit jährlich rund 13 Prozent, würde deren Wirtschaft wachsen, wenn jeweils eine Hälfte der Bevölkerung die Grundschule bzw. die Sekundarschule besucht hätte (siehe Grafik rechts).
Zwei Strategien: Indien vs. China
Interessanterweise fällt das Wachstum wieder auf sieben Prozent, wenn man zwar in Hochschulabschlüsse investiert, aber nicht viel gegen Analphabetismus unternimmt. "Das entspricht ungefähr den Verhältnissen in Indien", sagt Lutz gegenüber science.ORF.at: "Dort hat man viel für die Ausbildung an Hochschulen getan, dennoch ist heute jeder zweite Inder Analphabet."

Anders ausgedrückt: Sofern man ein Entwicklungsland als Ausgangspunkt nimmt, ist der elitäre Bildungsweg, den Indien eingeschlagen hat, offenbar nicht so wirksam wie der egalitäre, den beispielsweise China verfolgt. "Von den Unter-30-Jährigen hat dort so gut wie jeder die Volksschule besucht, die Sekundarstufe immerhin mehr als die Hälfte. Das dürfte einer der Gründe sein, warum in China das Wirtschaftswachstum deutlich über jenem von Indien liegt."
Bei Industriestaaten zählt die Akademikerquote
Investitionen in die Hochschulbildung greifen der Studie zufolge erst dann mit voller Wirkung, wenn die entsprechenden Bildungsgrundlagen geschaffen wurden. Die liegen in Österreich ohne Zweifel vor: Der Schulbesuch bis 15 Jahre ist bei uns gesetzlich verpflichtend, daher sollte fast jeder die Sekundarstufe abgeschlossen haben.

Nicht so gut sieht es indes im höchsten Stockwerk der Bildungspyramide aus. Laut Statistik Austria haben 9,8 Prozent der Bevölkerung einen Hochschulabschluss (Stand: 2006), das ist im OECD-Vergleich relativ gering - und eben auch wirtschaftlich relevant. Wolfgang Lutz: "In Industriestaaten wird Wirtschaftswachstum vor allem durch Technologie, Effizienz und Wissen erzeugt."

Robert Czepel, science.ORF.at, 21.2.08
->   Wolfgang Lutz - IIASA
->   Wolfgang Lutz - ÖAW
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01.01.2010