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Philosoph Odo Marquard wird 80  
  Seine Philosophie ist eingängig, humorvoll und bisweilen ironisch. Tiefere Bedeutungen sind verpackt in Wörter des Alltags. "Philosophie muss von der Art sein, dass zumindest der Autor sie versteht", sagt der Gießener Philosoph Odo Marquard, der sich selbst einen "Transzendentalbelletristen" nennt.  
"Philosophie ist, wenn man trotzdem denkt", lautet einer seiner oft zitierten Sätze. Am 26. Februar wird Marquard 80 Jahre alt. Eine Geburtstagsfeier wird es nicht geben. "Ich bin ein Festmuffel und gehöre zu den feierschwachen Menschen."
Plädoyer für die Geisteswissenschaften
Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Marquard vor allem mit seiner "Kompensationstheorie" der Geisteswissenschaften. "Je moderner die moderne Welt wird, desto unvermeidlicher werden die Geisteswissenschaften", lautete die Kernthese von Marquards Vortrag, den er 1985 bei der Westdeutschen Rektorenkonferenz in Bamberg hielt.

Die Naturwissenschaften machten die Geisteswissenschaften keineswegs überflüssig, sondern bedingten sie unausweichlich als Ausgleich. Marquards von seinem Lehrer Joachim Ritter angeregte Theorie erhitzte die Gemüter der Wissenschaftswelt. Kritiker warfen ihm Verrat an der aufklärerischen Vernunft und eine konservative Verklärung einer heilen Vergangenheit vor.
Breites Werk
Bis heute bleibt der seit 1993 emeritierte Wissenschaftler bei seiner Theorie. "Je mehr Fortschritte wir wollen und haben, um so mehr Geisteswissenschaften brauchen wir", schreibt Marquard im 2007 veröffentlichten Band "Skepsis in der Moderne" seiner Philosophischen Studien.

"Das Wegsparen der Geisteswissenschaften ist kurzsichtig, schon bald wird man das einsehen müssen", sagt Marquard. Mit seinen Veröffentlichungen deckt der Wissenschaftler ein breites Spektrum ab - von Geschichtsphilosophie über Ästhetik und Anthropologie bis hin zu Hermeneutik und Psychoanalyse. Programmatisch für Marquards Werk sind die Bände "Abschied vom Prinzipiellen" (1981) und "Apologie des Zufälligen" (1987).
"Intellektuell naschhaft"
Marquard, der Philosophie, Germanistik und Theologie studierte, wurde 1928 in Stolp in Pommern geboren. Bis zum 17. Lebensjahr ging er auf eine NS-Kaderschule. Kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er zum Volkssturm eingezogen und kam in Kriegsgefangenschaft. Eigentlich wollte er Architekt werden. Malen war lange sein Hobby.

Über die Entscheidung für die Philosophie sagte er einmal: "Sie stieß mir zu. Ich kam in die Philosophie wie die Wespe in die Cola-Flasche: Weil ich intellektuell naschhaft bin und die Philosophie süß zu sein scheint und weil, als ich merkte, dass sie ernst und gefährlich ist, es schon zu spät war, noch herauszukommen." 1963 habilitierte er sich an der Universität Münster. Von 1965 an war Marquard Professor für Philosophie an der Universität Gießen.
Grübeln in der Hundehütte
Seine Zeit verbringt Marquard sehr oft in seinem Arbeitszimmer im Keller seines Reihenhauses, in dem er mit seiner Frau wohnt. "Wenn mich eine Frage wirklich interessiert, dann ziehe ich mich in meine Hundehütte zurück und nage den Knochen hier", sagt Marquard, der mit mehreren Preisen und dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse (1995) ausgezeichnet worden ist.

An seiner Schreibmaschine formuliert der dreifache Großvater seine Gedanken über die Welt. Wenn Marquard nicht über die Welt nachdenkt, schläft er meist. Auch das ist bei ihm philosophisch: "Schlafen ist für mich ein Zeichen meiner Weltabwehr."

Maria Panagiotidou, dpa, 25.2.08
->   Odo Marquard - Wikipedia
->   Perlentaucher - Odo Marquard
->   Video: Marquard über "Die Zukunft der Erzählung"
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01.01.2010