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Forensik: Haaranalyse verrät Herkunft von Mordopfern  
  Man ist, was man trinkt: Diese alte Einsicht haben Chemiker nun für die Aufklärung von Verbrechen nutzbar gemacht. Sie analysierten menschliche Haare und Trinkwasser aus verschiedenen Gegenden der USA. Bei den Wasser- und Sauerstoffisotopen zeigte sich dabei ein deutlicher Zusammenhang.  
Für die Forensiker in der Polizei ist dies ein Anlass zur Freude: Sie könnten durch die Haaranalyse auf die Herkunft bisher nicht identifizierter Mordopfer schließen.

Für die USA konnte sogar eine eigene Herkunftskarte gezeichnet werden, berichtet der Geochemiker Thure Cerling von der Universität Utah und sein Team.
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Die Studie "Hydrogen and oxygen isotope ratios in human hair are related to geography" ist am 26. Februar 2008 in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" erschienen (doi: 10.1073/pnas.0712228105).
->   Abstract der Studie
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Isotope: Chemisch ident, aber verschieden schwer
Verschiedene Isotope des gleichen chemischen Elements haben gleich viele - positiv geladene - Protonen im Atomkern, unterscheiden sich aber durch die Zahl der - ungeladenen - Neutronen. Sie sind chemisch ident, haben jedoch ein unterschiedliches Atomgewicht.

Vom Wasserstoff sind drei Isotope bekannt: Normaler Wasserstoff mit nur einem Proton im Kern (1H), Deuterium mit einem Proton und einem Neutron (2H) sowie Tritium mit einem Proton und zwei Neutronen (3H). Das häufigste stabile Isotop des Sauerstoffs ist Sauerstoff-18.

Auf Grund des unterschiedlichen Gewichts können Wissenschaftler die verschiedenen Anteile eines Isotopengemisches auftrennen und mengenmäßig bestimmen. Die Forschergruppe um Thure Cerling hat dies nun bei zwei besonderen "Rohstoffen" gemacht: bei Trinkwasser und menschlichen Haaren.
Haar- und Wasserproben aus 65 US-Städten
Zu diesem Behufe sammelten die Wissenschaftler in einem Musterbeispiel angewandter Forschung Haar- und Wasserproben in 65 amerikanischen Städten. Dafür war der Besuch bei örtlichen Friseuren nötig, die sie um Mitarbeit baten.

Damit die Haarproben nicht "verunreinigt" waren, handelte es sich ausschließlich um Friseure in Städten, die weniger als 100.000 Einwohner haben - das sollte die Wahrscheinlichkeit verringern, dass es sich bei den Haarresten um ortsfremde handelte.
Wasser- und Haarproben hängen stark zusammen
Mit den lokalen Wasser- und Haarproben gingen die Forscher ins Labor und untersuchten das Verhältnis von Sauerstoff-18 zu Sauerstoff-16 bzw. von Wasserstoff-1 zu Wasserstoff-2.

Dabei zeigte sich ein starker Zusammenhang zwischen den Haar- und Wasserproben. Die Unterschiede der Isotopenverhältnisse lassen sich laut den Forscher zu 85 Prozent durch das Trinken von verschiedenem Wasser erklären.

Dass die Menschen auch viele abgefüllte Getränke zu sich nehmen, sei nicht entscheidend - denn auch Soft Drinks, Bier etc. brauchen als Grundflüssigkeit Wasser, das zum überwiegenden Teil aus nahen Regionen stammt.
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Geographische Unterschiede
Die Isotopenkonzentration des Wassers unterscheidet sich geographisch laut den Forschern aus mehreren Gründen: Aus Wolken, die über den Kontinent ziehen, regne es zuerst die eher schweren Isotopen. Daneben seien aber auch die Wolkentemperaturen, die prinzipiellen Regenzeiten und die Wassermenge, die von Boden und Pflanzen verdunstet, entscheidend.
->   Isotope (Wikipedia)
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Wasser- und Sauerstoff-Isotopen in den USA
 
Bild: University of Utah

Karte mit der prognostizierten Rate von Sauerstoff-18 und Wasserstoff-2 in menschlichem Haar. Rote Bereiche stehen für hohe Raten der schweren Isotope, blaue für niedrige.

In Kombination früherer Daten mit ihren eigenen Ergebnissen zeichneten die Forscher eine Karte der Isotopenverteilung in den USA.

Aus Haarproben einzelner Menschen lasse sich mit ihrer Hilfe mit großer Wahrscheinlichkeit auf die geographische Herkunft schließen.

Auch der Zeitpunkt, an dem sie diese Menschen in bestimmten Gegenden aufgehalten haben, könne durch die Länge des Haares zumindest annäherungsweise ermittelt werden.
Nützlich für "kalte Fälle"
Die Karte von Thure Cerling und seinem Team könnte für die Polizei vor allem bei sogenannten "Cold Cases" nützlich sein: bei ungelösten, und zu den Akten gelegten Fällen, bei denen die Identität von Mordopfern nicht geklärt werden konnte.

[science.ORF.at, 26.2.08]
->   Thure Cerling, Universität Utah
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Isotopenanalyse der Haare zur Herkunftsbestimmung (10.9.04)
 
 
 
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01.01.2010