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Experte: Mehr Konsequenz bei Dopingbekämpfung  
  Der weltweit anerkannte deutsche Dopingexperte Werner Franke hat am Mittwochabend im Zuge eines Vortrages in Wien generell Europa und speziell Österreich beim Kampf gegen Doping im Spitzensport kritisiert.  
Er vermisse nicht nur Konsequenz, sondern hält es für höchst bedenklich, dass Leute wie der wegen seiner Beteiligung am systematischen Doping im DDR-Sport in Deutschland wegen Beihilfe zur Körperverletzung gerichtlich verurteilte Sportmediziner Bernd Pansold weiterhin in Österreich im Spitzensport-Bereich arbeiten können.
Arzt von Ben Johnson verlor Approbation
"Wir in Europa sind zu unaufrichtig und korrupt", betonte der Molekularbiologe, der seinen "nicht hauptberuflich" verfolgten Kampf gegen Doping "als Verantwortung des Wissenschaftlers" sieht.

"In Kanada ist dem Arzt, der (100-m-Sprinter, Anm.) Ben Johnson Anabolika verabreicht hat, sofort nachdem das bekanntgeworden war, die Approbation aberkannt worden. Diese Konsequenz vermisse ich in Europa", betonte Franke.
Kritik an Österreich und der Welt
Bezüglich des Anti-Doping-Kampfes in Österreich hielt Franke fest: "Erst wenn Sie hier in Österreich einen Österreicher fangen, ziehe ich meinen Hut vor dieser Rigorosität. Doch noch ist mir nichts derartiges in Österreich bekannt."

Der 68-jährige Wissenschaftler kritisierte aber auch die Missstände auf Weltebene: "In einigen Sportarten gibt es kriminelle Strukturen wie in der Mafia. Sogar in Dopingkontrolllaboratorien sitzen Leute, die da mitmachen und sagen: 'Wenn sie genug bezahlen, erfahren sie alles zum richtigen Zeitpunkt.'"
Sportstrukturen überdenken
In Nationalen Anti-Doping-Agenturen (NADA) finden sich auch solche Personen. Franke führte dabei das Beispiel des deutschen Olympia-Arztes Georg Huber an: "Da wurden Wölfe zu Schafshirten gemacht. Man muss auch die ganze sportpolitische Struktur überdenken: Ich sage, es darf dort überhaupt keiner sein, der abhängig ist. Das kenne ich als Wissenschaftler, wenn ich etwas begutachten soll, dann muss ich unabhängig sein. Da darf ich niemandem verpflichtet, aber auch nicht verfeindet sein. Das ist für mich der erste Schritt."
Beispiel deutscher Olympia-Arzt Georg Huber
Huber hatte im Mai 2007 gestanden, einzelnen Nachwuchsfahrern im Radsport zwischen 1980 und 1990 das leistungssteigernde Hormon Testosteron verabreicht zu haben. Nicht nur die Universitätsklinik Freiburg suspendierte Huber daraufhin, sondern auch die NADA trennte sich mit sofortiger Wirkung von dem Internisten, der sich seit 1986 als Anti-Doping-Beauftragter des deutschen Behindertensportverbandes und seit 2003 in der NADA engagiert hatte.
Korruption und Nationalismus
Auch Dopingsündern anzubieten, deren Fall nicht öffentlich zu machen, sofern die positiv getesteten Aktiven ihre Karriere für längere Zeit unterbrechen bzw. sofort beenden, sei ein Beweis dafür, dass die Sportgeißel ebenso Komplizen auf höchster Funktionärsebene hat.

Und eine derartige Korruption auf diesen verschiedenen Ebenen gepaart mit Nationalismus ist laut Franke der optimale Nährboden für Doping-Netzwerke, wobei für Österreich in Sachen Doping gelte: "Wenn schon korrupt, dann total."
Ex-DDR-Ärzte in Österreich
Franke erinnerte dabei vor allem an die "schlimmen Buben", die nach dem Fall der Mauer aus der DDR nach Österreich kamen und hier sofort Arbeit fanden, obwohl ihre Vergangenheit bekannt war.

Neben Pansold, der u.a. früher im Olympiastützpunkt Obertauern Ski-Superstar Hermann Maier oder Surf-Olympiasieger Christoph Sieber betreute und nun für Red Bull tätig ist, nannte er auch den inzwischen verstorbenen Schwimm-Trainer Rolf Gläser, unter dem Österreichs erste Spitzenschwimmerin Vera Lischka 1996 in Rostock die erste Kurzbahn-EM-Goldmedaille für Rot-Weiß-Rot geholt hatte.
Hang zu "bösen Buben"
"Sie haben hier in Österreich einen Hang, so scheint es zumindest von außen, solche Buben noch besonders zu schützen, in der Erwartung wohl, die werden uns zeigen, wie es noch besser geht", merkte Franke an. Gläser war Ende 1998 wie Pansold im deutschen Pilotprozess um Doping in der DDR zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Dieses Urteil kostete Gläser, der kurz vor Weihnachten 2004 an einem Krebsleiden gestorben war, seinen Job als Oberösterreichs Schwimm-Landestrainer. Pansold wollte am Donnerstag auf APA-Anfrage keine Stellungnahme zu diesen Ausführungen abgeben.

[science.ORF.at/APA, 13.3.08]
->   Werner Franke, DKFZ Heidelberg
->   science.ORF.at-Archiv zum Thema Doping
 
 
 
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01.01.2010