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US-Medien: Mehr Parteilichkeit gegen sinkende Quoten  
  Zeitungen in den USA verlieren an Auflage, populäre Nachrichtensendungen an Zuschauern, die klassischen Medien haben mit Online-Newsdiensten und Bloggern ernste Konkurrenz bekommen. Dennoch ist wichtig zu sehen, dass es sich dabei nur um eine Verlagerung des Interesses, nicht aber um ein generell schrumpfendes Zielpublikum für Nachrichten handle.  
Das stellt das Washingtoner PEW-Forschungsinstitut in seinem jüngsten Bericht zur "Exzellenz im Journalismus" fest, in dem jährlich die Lage der US-Medien analysiert wird. Gefahren ortet das Center in der Strategie der Parteilichkeit, die Medien mehr Publikum bringen soll, und in der Stilisierung von Moderatoren zu "Markenware".

Als größte Herausforderung sieht die umfangreiche Studie das Finden von neuen Geschäftsmodellen für traditionelle Medien.
->   Zum Bericht "State of the News Media 2008"
Bewusste Parteilichkeit nicht nur bei Fox ...
Erstes Opfer des "epochalen Medienwandels" in den USA droht nach Ansicht der Medienwissenschaftler der Qualitätsjournalismus zu werden. Das Krisenmanagement der Medienmacher ziele demnach oft auf eine Verengung der journalistischen Ziele und Relativierung der Grundsätze.

Beispielsweise ist ein bewusst aggressiver und parteiischer Journalismus - eine der derzeit beliebtesten Methoden, Zuschauer- und Hörerquoten in die Höhe zu treiben. Damit zogen die rechts-konservativen Fox News schon vor Jahren an CNN vorbei.

Bei dem Murdoch-Sender darf der sendungsbewusste und wortgewaltige Starmoderator Bill O'Reilly auf Liberale, Linke und Kriegsgegner verbal einprügeln und fragen, "wen Jesus wählen würde".
... sondern auch bei "liberaler" Konkurrenz
Inzwischen aber sind auch die Konkurrenten deutlich aggressiver geworden. CNN-Moderator Lou Dobbs streitet vehement gegen angeblich zu lasche Immigrationsgesetze und für die aus seiner Sicht vom Untergang bedrohte Mittelklasse. Und bei MSNBC werden die Sympathien für Barack Obama oder Hillary Clinton selten verschleiert.

Zunehmend versuchten Medien mit journalistischen Kreuzzügen, mit einer vereinfachten und verkürzten Berichterstattung Bürgern einfache Erklärungen und Sicherheit in einer von Informationen überfluteten, verwirrenden Welt zu suggerieren. Skeptische, hinterfragende Stimmen stören da eher.
Moderatoren sollen Zuschauer binden
Zudem suchten die Sender im Kampf um Zuschauerbindung ihre Moderatoren zu Stars und einer Art Markenware zu stilisieren, so das Ergebnis der Medienwissenschaftler. Sicher ist, dass es noch nie so viele sehr attraktive, junge Frauen auf den US-Nachrichtenkanälen zu sehen gab wie heute.

In fast allen Medien werden laut Studie weiter Redaktionen verkleinert - mit negativen Folgen für die Möglichkeiten der Recherche sowie die Kontrolle und das Management journalistischer Qualität. Zudem zwinge die journalistische Arbeit für die Web-Seiten der Medien Reporter und Redaktionen zu einer zeitnahen, weniger überprüfbaren Form der Berichterstattung.
Blick nach draußen wird verengt
Nicht wenige der amerikanischen Zeitungen suchten mit einem streng lokal-regionalen Konzept ihr Überleben zu sichern. Dabei aber werde laut Institutsdirektor Tom Rosenstiel der Blick nach draußen verengt.

Ohnehin konzentriere sich die Berichterstattung in den USA auf immer weniger Themen: Der Irakkrieg und der US-Präsidentschaftswahlkampf dominierten mehr als ein Viertel aller nicht lokalen Berichte in den US-Medien. Ohne die Themen Irak, Iran und Pakistan widmeten sie dem Rest der Welt gerade mal sechs Prozent ihrer Berichterstattung, so der Report.
...
Mehr Transparenz, aber auch mehr Diffamierung
Die verstärkte Einbindung von "Bürgerjournalisten", Bloggern und lokalen Initiativen schließlich habe zwar die Transparenz des öffentlichen Lebens deutlich erhöht und die politische Diskussion in den Medien, wie von manchen erhofft, "demokratisiert". Dies geschehe allerdings auch um den Preis mangelnder Zuverlässigkeit und der immens schnellen Verbreitung von Gerüchten und Diffamierungskampagnen.
->   "Bürgerjournalisten" keine Konkurrenz für Medien (1.10.07)
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Wie verlagertes Interesse finanziell nützen?
Trotz rückläufiger Auflagen und sinkender Quoten könne aber insgesamt nicht von einem sinkenden Interesse an aktuellen Informationen gesprochen werden, betont die Studie. "Traditioneller Journalismus wird nicht, wie manche vermuteten, irrelevant."

Allerdings informiere sich der US-Bürger heute dank des Internets stärker als früher aus anderen als den klassischen Medien. Journalistische Inhalte blieben attraktiv, betonte Rosenstiel. Das große Problem der US-Medien sei deshalb kaum die sinkende Zahl der an Nachrichten interessierten Bürger, sondern die Finanzierung.

Denn im Internet ließen sich die Verluste aus den geringeren Anzeigenerlösen bisher nicht kompensieren. Das gelinge selbst der "New York Times" nicht, die im Web immerhin von 14,7 Millionen Lesern im Monat aufgeschlagen werde. "Es wird immer deutlicher, dass die Nachrichten-Branche sehr viel aggressiver als bisher neue Geschäftsmodelle entwickeln muss", heißt es in der Studie.

Laszlo Trankovits (dpa)/science.ORF.at, 19.3.08
->   Zum PewResearchCenter
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01.01.2010