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Deutschland schafft Gedenkstätte zu Vertreibungen  
  Nach jahrelanger heftiger Diskussion hat die deutsche Bundesregierung am Mittwoch beschlossen, in Berlin eine Stätte zur Erinnerung an Flucht und Vertreibung in Europa zu errichten.  
Nach dem Kabinettsentscheid ist ein Dokumentationszentrum geplant, das dem deutschen Historischen Museum angegliedert wird.

Ein Gebäude am Anhalter Bahnhof soll dazu für etwa 29 Millionen Euro umgebaut und eingerichtet werden.
Vom Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart
Im Mittelpunkt des Projektes steht eine Dauerausstellung zur historischen Dokumentation der Themen Flucht, Vertreibung und Integration vom Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart in Deutschland und Europa.

Ein Schwerpunkt soll dabei auf die Darstellung von Einzelschicksalen gelegt werden. Flucht und Vertreibung der Deutschen werden einen Hauptakzent bilden.

Außerdem sind begleitende Veranstaltungen, Publikationen und Wechselausstellungen geplant. Auch ein Dokumentations- und Informationszentrum für wissenschaftliche Arbeiten ist vorgesehen.
Deutsche und Polen
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren rund zwölf bis 14 Millionen Deutsche aus den damaligen deutschen Ostprovinzen und aus ihren Siedlungsgebieten in verschiedenen anderen Ländern Ostmitteleuropas vertrieben worden. Sie waren aber nicht die einzigen Vertreibungsopfer.

So wurden auch rund 1,5 Millionen Polen aus dem von der Sowjetunion annektierten Ostteil ihres Landes vertrieben und zum großen Teil in früheren deutschen Ost-Provinzen angesiedelt.
Politischer Kompromiss
Die ursprüngliche Initiative für das Zentrum stammte vom deutschen Bund der Vertriebenen, der dazu eine eigene Stiftung gründete. Die jetzt gewählte Bezeichnung "Sichtbares Zeichen gegen Flucht und Vertreibung" geht auf eine Kompromissformel im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD aus dem Jahr 2005 zurück.
Relativierung der deutschen Schuld?
Das Projekt war lange Zeit in und außerhalb Deutschlands umstritten. Vor allem in Polen und Tschechien wurde immer wieder der Vorwurf erhoben, die Deutschen versuchten sich mit dem Vertriebenengedenken als Opfer des Zweiten Weltkriegs zu präsentieren und ihre Täterrolle zu relativieren.

Erst ein Treffen von Kulturstaatsminister Bernd Neumann Anfang Februar in Warschau mit dem polnischen Deutschland-Beauftragten Wladyslaw Bartoszewski brachte den Durchbruch. Polen betrachtet das Projekt nach den Worten Neumanns seither nicht mehr als Affront.
Mitarbeiter der Nachbarländer
Im Stiftungsrat der neuen Dokumentationsstätte sollen unter anderem Vertreter des Bundestages und der Bundesregierung vertreten sein. Ferner ist eine "angemessene Gremienbeteiligung der deutschen Vertriebenen" und anderer gesellschaftlicher Gruppen geplant.

In einem wissenschaftlichen Beirat sollen auch ausländische Experten, insbesondere der europäischen Nachbarländer, mitarbeiten.

[science.ORF.at/APA/dpa, 19.3.08]
->   Bernd Neumann über die neue Gedenkstätte
 
 
 
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01.01.2010