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Pfauen: Lange Schwänze doch nicht attraktiv  
  Seit Charles Darwin gilt der Pfau als das Lehrbuchbeispiel der sexuellen Selektion. Eine japanische Studie überrascht nun: Pfauenweibchen bevorzugen unter Umständen doch keine langen Schwanzfedern.  
Posen für die Paarung
Wer dieser Tage durch den Tiergarten Schönbrunn spaziert, wird früher oder später einigen Pfauen über den Weg laufen, die sich dort frei durch das Gelände bewegen. Die Männchen ziehen eine lange Schleppe aus aufwändig ornamentierten Schwanzfedern nach sich, breiten sie von Zeit zu Zeit aus und posieren damit vor Artgenossen - und Touristen.

So beeindruckend die Sache für die Zuschauer auch sein mag, beim Fliegen muss der lange Schwanz äußerst störend sein, stellte bereits Charles Darwin fest. Und vermutete, dass solch auffällige wie unpraktische Merkmale durch eine besondere Form der Zuchtwahl entstehen, die man heute sexuelle Selektion nennt.

Dabei züchten meist die Weibchen ihren Partnern kurios übersteigerte Eigenschaften (etwa: lange Schwanzfedern) an, schlichtweg deshalb, weil sie Männchen mit genau diesen Eigenschaften bevorzugen.
Zwei Theorieschulen
Zu den konkreten Mechanismen, die dabei am Werk sind, gab es zwei prominente Hypothesen. Der Brite Ronald Aylmer Fisher vermutete, dass Extremfälle wie der Pfau durch eine Art Rückkopplung zwischen weiblicher Präferenz und männlichen Merkmalen entstehen, der Israeli Amotz Zahavi schlug dagegen vor, dass etwa lange Schwanzfedern ein Anzeichen für gute Gene sind, weil sie deren Träger behindern - eine Art Luxus-Signal also. Vermutlich hatten beide Recht, denn sowohl für die Handicap-Hypothese von Zahavi als auch für Fishers Runaway-Prozess gibt es entsprechende Belege.
Widersprüchliche Studien
 
Bild: dpa

Doch just beim klassischen Beispiel des Pfaus treten nun Widersprüche auf. Bisher nahm man nämlich ganz selbstverständlich an, dass Pfauenhennen tatsächlich Hähne mit aufwändiger gestaltetem Federkleid bevorzugen.

Die Britin Marion Petrie und einige andere Verhaltensforscher haben das auch bestätigt, ihre Kollegin Mariko Takahashi von der Universität Tokyo indes kann in einer aktuellen Untersuchung keinen solchen Zusammenhang entdecken. Ihr Schluss daraus: Das Federkleid mag den Pfauenweibchen früher wichtig gewesen sein - nun spielt es jedenfalls keine Rolle mehr, es ist quasi aus der Mode gekommen (Animal Behaviour, DOI: 10.1016/j.anbehav.2007.10.004).

Wenn das stimmt, dann stellt sich die Frage: Warum "leisten" sich die Hähne noch immer die höchst unpraktische Schleppe, warum gibt es keine Selektion in die Gegenrichtung? Michael Ryann von der University of Texas weist darauf hin, dass die Sache nicht so einfach ist: Es zählt nämlich nicht nur die Optik, die Männchen "musizieren" auch mit den Schwanzfedern, um die Weibchen romantisch zu stimmen. "Ohne Schwanz gibt es keine Musik", sagt Ryan gegenüber dem Onlinedienst von "Science".
Prunk oder Länge?
Davon abgesehen gibt es natürlich auch Forscher, die Takahashis Ergebnisse für nicht besonders aussagekräftig halten. Die US-Biologin Marlene Zuk etwa meint, dass es gar nicht auf die Schwanzlänge ankomme.

Für die Weibchen zähle vielmehr der Prunk der Federn, und diesen habe Takahashi in ihrer Studie gar nicht untersucht. Ihr norwegischer Fachkollege Stein Are Sæther stellt hingegen nüchtern fest: "Wir verstehen noch immer nicht richtig, was die Weibchen eigentlich tun, wenn sie Männchen beurteilen."

Robert Czepel, science.ORF.at, 1.4.08
->   Pfauen - Wikipedia
->   Sexuelle Selektion - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010