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Manchen Bakterien schmecken Antibiotika  
  80 Jahre nachdem der britische Mediziner Alexander Fleming Penicillin entdeckt hat, werden mehr und mehr Bakterien immun gegen Antibiotika. Forscher haben nun Stämme gefunden, die sich von Antibiotika regelrecht ernähren.  
Dabei handelt es sich um Bodenmikroben, wie ein Forscherteam um den Genetiker George Church von der Harvard Medical School berichtet.
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Die entsprechende Studie "Bacteria Subsisting on Antibiotics" ist in Science" (Bd. 320; S. 100, 3.4.08) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Immer mehr Resistenzen
Antibiotika sind - wie das griechische Wort schon verrät - gegen das Leben gerichtet; konkret gegen das Leben von Bakterien und anderen Mikroorganismen. Was ihnen schadet, nutzt dem Menschen: Antibiotika sollen ihn vor Infektionen mit den Mikroben schützen.

Was lange Zeit gut funktioniert hat, gestaltet sich zunehmend schwieriger. Immer mehr Bakterien entwickeln gegenüber Antiobiotika Resistenzen: etwa die Staphylokken, die in unseren Breitengraden als "Krankenhauskeime" berühmt-berüchtigt sind.

Aber auch Tuberkulose tritt immer öfter in einer Variante auf, die gegen Antibiotika immun ist. Neue Antibiotika, die trotz Resistenzbildungen wirken, werden nur relativ wenige entwickelt.
->   Resistente Tuberkulose auf dem Vormarsch (27.2.08)
->   Katzen übertragen Staphylokken (13.3.08)
Bodenbakterien mit Vorliebe für Antibiotika
Das Team um George Church wollte der Antibiotika-Front nun keine weitere schlechte Nachricht hinzufügen. Die Forscher untersuchten ursprünglich Mikroorganismen, die Abfälle aus der Landwirtschaft in Biotreibstoffe verwandeln - für ihre Kontrollstudien benutzten sie Antibiotika. Dabei entdeckten sie eine Reihe von Bodenbakterien, für die Antibiotika veritable Mahlzeiten darstellen.

Die Forscher sammelten die Bakterien aus elf Bodenproben, die unterschiedliche Mengen von Menschen gemachten Antibiotika aufwiesen - vom Kukuruzfeld, das gedüngt wurde mit Kuhmist (deren Produzenten wiederum mit Antibiotika behandelt wurden) bis zum unberührten Waldboden. Auf all diesen Schauplätzen fanden sich Bakterien, die sich ausschließlich von Antibiotika ernähren können.
Gilt für natürliche und synthetisch hergestellte Substanzen
 
Bild: Science

Eines der nun entdeckten Bakterien unter dem Mikroskop, Kontrast und Farben wurden verändert

Einige von ihnen haben die Forscher als Verwandte menschlicher Krankheitserreger identifiziert - etwa von dem Darmbakterium E. coli. Bei ihren Versuchen im Labor setzten die Forscher den Bakterien sowohl künstliche als auch natürlich vorkommende Antibiotika vor - für beide gab es Stämme von Bakterien, die nicht tot umfielen, sondern Genuss am Verspeisen fanden.

"Für fast alle Substanzen, die wir als Hauptwaffe gegen bakterielle Infektionen einsetzen, gibt es nicht nur Bakterien, die gegen sie immun sind, sondern die sie zum Frühstück verputzen", umschrieb es Church in einem Begleitartikel der Science-Studie plastisch. Auf welche Weise, sie die eigentlich tödlichen Zutaten als Mahl nutzen, ist indes noch unbekannt.
Gefahr: Gentransfer zu Krankheitserregern
Bis jetzt, und das ist die gute Nachricht, wurde noch kein menschlicher Krankheitserreger gefunden, der sich von Antibiotika ernährt.

Gefahren in medizinischer Hinsicht sehen die Forscher aber dennoch am Horizont: Die Bodenbakterien könnten jene Gene, die für ihre Resistenzen verantwortlich sind, auf Krankheitserreger übertragen - und damit die beobachtete Tendenz immunisierter Bakterien noch verstärken.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 4.4.08
->   George Church, Harvard Medical School
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Antibiotika machen Bakterien rasch resistent (9.2.07)
->   Helicobacter: Antibiotika-Resistenz problematisch (3.11.06)
->   Neue Wege zur Bekämpfung von Bakterien (6.3.06)
 
 
 
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01.01.2010