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Affenstudie: Verlierer koksen, Sieger fressen  
  US-Forscher haben bei Affen Versuche mit Kokain gemacht. Die Verhaltenstests zeigen: Tiere mit niedrigem sozialen Status greifen unter Stressbedingungen eher zur Droge. Dominante Affen fressen stattdessen lieber.  
Ein böser Blick genügt
Viele Makakenarten leben in Sozialverbänden, in denen die Hierarchie durch aggressives Verhalten und damit verbundene Signale aufrechterhalten wird. Mitunter genügt der bedeutungsvolle Blick eines dominanten Tieres, um bei Artgenossen unterwürfiges Verhalten auszulösen.

Die US-Biologen Robert Warren Gould und Michael Nader haben das Sozialgefüge von Javaneraffen nun im Experiment untersucht und setzten zu diesem Zweck je vier dominante sowie untergeordnete Makaken einer Stresssituation aus.

Die Tiere wurden in einen neuen Käfig mit unbekannten Gegenständen gesperrt, rund um sie waren zudem vier ebenfalls unbekannte Artgenossen anwesend. Die Versuchstiere waren zwar gegenüber physischen Übergriffen gesichert, aber sie konnten das aggressive Verhalten der vier fremden Makaken sehen und hören.
Stress, sichtbar gemacht
Parallel dazu untersuchten Gould und Nader auch die Gehirnaktivität der Affen. Dafür verabreichten sie den Versuchstieren zunächst eine Lösung mit radioaktiv markierter Glukose und setzten sie vor bzw. nach dem Sozialversuch in einen Positronen-Emissions-Tomographen.

Das Ergebnis: Im Normalzustand waren bei den rangniederen Affen sowohl die Stress- und Angstzentren (Mandelkern und Hippocampus) als auch die Emotionsbereiche in der Hirnrinde (cingulärer Cortex) weniger aktiv.
Belohnungszentrum macht den Unterschied
Unter Stressbedingungen waren die Ergebnisse ähnlich, nur trat zusätzlich eine recht auffällige Differenz im Belohnungszentrum zutage: Bei den Affen mit niedrigem Sozialstatus war die Hirnaktivität an diesem Ort erniedrigt, bei den dominanten Tieren hingegen erhöht.

Anders ausgedrückt: Die Alphatiere scheinen den sozialen Stress in gewisser Weise genossen zu haben, für die Omegatiere war der Stress hingegen wirklich belastend.

Gould und Nader vermuten, dass die verminderte Hirnaktivität unter Normalbedingungen eine Anpassung der niederrangigen Tiere ist. Damit vermeiden sie möglicherweise eine zu hohe Stressreaktion, wenn sie von überlegenen Artgenossen gepiesackt werden.
Niederrangige greifen eher zu Koks
In Teil zwei der Studie kam die Droge Kokain ins Spiel. 40 Minuten nach erneuten Stress-Versuchen durften die Affen dann zwischen zwei Belohnungen - Fressen und Koks - wählen.

Das Ergebnis: Die gestressten Hinterbänkler griffen deutlich häufiger zur Droge als die sozial Erfolgreichen.

Das weise darauf hin, dass der Kokainkonsum etwas mit dem sozialen Rang zu tun haben könnte, meint Nader - und meint damit nicht nur Affen, sondern auch Menschen.
Schluss auf Menschen?
Der Schluss vom Affen auf den Menschen ist zwar ohne Zweifel recht gewagt, dennoch könnten die Ergebnisse für die zukünftige Suchtvermeidung eine Rolle spielen.

Nader: "Wir glauben, dass diese Art von Forschungen für Behandlungsstrategien sinnvoll sind. Beispielsweise könnte man die Wahrscheinlichkeit für Drogenmissbrauch herabsetzen, indem man die soziale Lebenswelt der Menschen verbessert."

Nader und Gould haben ihre Resultate soeben auf dem Kongress "Experimental Biology" in San Diego präsentiert.

[science.ORF.at, 7.4.08]
->   Experimental Biology 2008
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01.01.2010