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Strahlenschutz aus dem Darm  
  US-Forscher haben einen neuen Wirkstoff entwickelt, der vor Strahlung schützt. Die Substanz könnte in Zukunft in der Krebstherapie eingesetzt werden - sowie als Notfallmittel im Fall radioaktiver Verseuchung.  
Therapie mit Nebenwirkungen
Lautet die Diagnose "Krebs", ist eine Strahlenbehandlung oft unumgänglich. Die energiereichen Strahlen töten Tumoren, sofern sie im Körper noch keine Metastasen verbreitet haben. Die Therapie bewirkt allerdings einige Kollateralschäden, sie zerstört nämlich mitunter auch gesunde Zellen - etwa von Knochenmark, Milz und Magen-Darm-Trakt.

Die Zellbiologin Lyudmila Burdelya und ihre Kollegen könnten nun die Lösung für dieses Problem gefunden haben. Ein Fund, den ihr Kollege, der Krebsforscher Richard Kolesnik als "Durchbruch" bezeichnet, sowie als "schönes Beispiel dafür, dass das Verständnis von Gewebeschäden zur Entdeckung von wertvollen Wirkstoffen führen kann."
Zellsuizid verhindern
Die Strahlentherapie bringt gesunde Zellen in der Regel nicht direkt um, sondern veranlasst sie, sich selbst umzubringen. Programmierter Zelltod bzw. Apoptose nennen Biologen dieses Notfallprogramm, das normalerweise verhindern soll, dass sich DNA-Schäden durch Zellteilungen in einem Gewebe ausbreiten.

Viele Tumore wiederum haben einen Weg gefunden, sich dem Wirkungsbereich dieser Notbremse zu entziehen, weswegen sie oft unkontrolliert wuchern. Das erreichen sie durch Aktivierung einer Substanz namens NF-KappaB, "viele Krebsforscher versuchen daher NF-kB in Tumorzellen zu unterdrücken, damit sie doch Selbstmord begehen", erklärt Andrei Gudkov, ein Co-Autor der nun im Fachblatt "Science" (Bd. 320, S. 226) veröffentlichten Studie.

"Wir haben uns hingegen gedacht: Warum sollte man nicht das Gegenteil tun und gesunde Zellen beim Überleben hoher Strahlendosen unterstützen?"
Bakterienprotein wirkt
Zu diesem Zweck borgten sich Burdelya und Gudkov ein Protein, mit dem z.B. symbiontische Bakterien an Zellen des Magen-Darm-Traktes andocken und, das wusste man bereits aus früheren Studien, ebenfalls die Schlüsselsubstanz NF-kB aktivieren. Das Protein ist eigentlich ein Baustein der Bakteriengeißel, daher heißt es Flagellin. Die US-Forscher mussten nur noch all jene Teile wegschneiden, die in anderen Organen immunologische Probleme machen könnten.

Übrig blieb offenbar ein recht potentes Mittel gegen ungewollten Zellsuizid, wie Tierversuche zeigen. Burdelya und ihre Kollegen injizierten den Wirkstoff Mäusen und verabreichten ihnen dann eine tödliche Strahlendosis. Dergestalt pharmakologisch gedopt überlebten 87 Prozent der Tiere, auch bei Rhesusaffen schlug der Wirkstoff voll an: Bei diesen stieg die 40-Tage-Überlebensrate nach einer Bestrahlung von 25 auf 64 Prozent.

Das nährt die Hoffnung, dass man die Substanz künftig in der Krebstherapie oder als Schutz gegen radioaktive Strahlung einsetzen könnte. Versuche mit Krebspatienten sollen bereits dieses Jahr beginnen.

Robert Czepel, science.ORF.at, 11.4.08
->   Strahlentherapie - Wikipedia
->   Apoptose - Wikipedia
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01.01.2010