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Börse: Viel Testosteron führt zu hohem Gewinn  
  Aktienhändler, die morgens einen hohen Testosteronspiegel haben, machen an diesem Tag überdurchschnittlich hohe Gewinne. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie an der Londoner Börse.  
Die britischen Meidziner haben dabei untersucht, wie sich die Steroide Testosteron und Cortisol auf Verhalten und Entscheidungsfindung auf den Finanzmärkten auswirken. Sie fanden auch Hinweise, warum es bei Finanzkrisen für die Händler oft schwierig ist, rationale Entscheidungen zu treffen.
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Die Studie "Endogenous steroids and financila risk taking on a London trading floor" von J.M. Coates and J. Herbert erscheint zwischen 14. und 18. April in den "Proceedings of the National Academy of Science" (Bd. 104, DOI: 10.1073/pnas.0704025105).
->   Studie (sobald online)
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Das "Siegerhormon"
Unter anderem wird Konkurrenz- und sexuelles Verhalten durch das Hormon Testosteron beeinflusst. Bei Sportlern etwa steigt der Spiegel vor einem Wettkampf und kann bei einem Sieg noch weiter hinaufschnellen.

Dieser Anstieg stärkt das Selbstbewusstsein und die Risikofreudigkeit, was zu einem neuen Sieg führen kann. Diese positive Feedbackschleife nennen die Forscher "winner effect".
Die Rolle der Steroide beim Aktienhandel
Cortisol hingegen wird besonders in Situationen der Ungewissheit oder Unkontrollierbarkeit ausgeschüttet und führt in der Folge zu gravierenden Veränderungen, sowohl des Stoffwechsels als auch des Verhaltens.

Beim Sieg und Niederlage spielt also Testosteron ein große Rolle, Cortisol hingegen generell in Stresssituationen. Das brachte die Forscher rund um J.M. Coates von der University of Cambridge zu der Annahme, dass beide Steroide in der risikoreichen Welt des Aktienhandels eine Rolle spielen könnten.
Mehr morgendliches Testosteron führt zu Gewinn
Für ihre Studie begleiteten die Wissenschaftler 17 männliche Aktienhändler zwischen 18 und 38 Jahren für einen Zeitraum von acht Tagen. Zweimal pro Tag ¿ um elf und um 16 Uhr - mussten sie eine Speichelprobe abgeben, bei welcher die Hormonkonzentration gemessen wurde.

Zusätzlich mussten sie Fragen über ihren Tagesablauf beantworten, wie etwa über Essen, Medikamente und arbeitsunabhängige Ereignisse, die das Ergebnis beeinträchtigen könnten.

Die Messung des Testosteronspiegels kam zu dem Ergebnis, dass er an Tagen, an welchen der Gewinn des Händlers deutlich über seinem Durchschnitt liegt, eindeutig höher ist. Eine hohe Hormonkonzentration am Morgen liefert eine zuverlässige Prognose für einen hohen Gewinn. Beim gemessenen Cortisolspiegel hingegen ergab sich keine Korrelation mit Gewinn oder Verlust.
Unsicherheit erhöht Cortisol
Daher untersuchten das Team um Coates die Daten auf einen möglichen Zusammenhang des Risikos mit der Cortisolkonzentration. Als Risiko definierten sie eine möglichst große Varianz bei den Einnahmen. Das heißt nicht der absolute Gewinn oder Verlust wurde gemessen, sondern die Größe der Differenz zwischen den Einnahmen im Laufe des Untersuchungszeitraums.

Dabei fanden sie, dass große Unterschiede zu einer Erhöhung des Hormons führen. Generell verursacht ein sprunghafter Markt einen hohen Cortisolspiegel.

Die Forscher vermuten, dass es bei über mehrere Wochen lang erhöhten Spiegeln beider Hormone zu negativen Effekten kommen könnte, sowohl kognitiv als auch beim Verhalten.
Erhöhte Hormonspiegel problematisch bei Finanzkrisen
Aus früheren Studien weiß man etwa, dass zuviel Testosteron irrationale Handlungen auslösen kann. Die betroffenen Personen neigen zu Impulsivität, gefährlichen Risiken und im Extremfall zur Manie oder Euphorie. Langfristig betrachtet könnten Aktienhändler mit erhöhtem Testosteron unfähig werden, die optimale Entscheidung zu treffen.

Die Erhöhung von Cortisol hingegen könnte den Händler langfristig handlungsunfähig machen, besonders in Finanzkrisen, bei welchen sich die Märkte besonders sprunghaft zeigen.

Laut den Wissenschaftlern könnte das bessere Verständnis dieser hormonellen Feedbackschleifen dazu führen, das Verhalten der Händler in Krisensituationen - etwa bei einem Börsencrash - zu analysieren.

In diesen Zeiten neigen nämlich viele zu sinnlosem Risiko oder zur völligen Ratlosigkeit, zumindest gilt das für männliche Händler. Der Einfluss der Hormone auf das weibliche Verhalten wurde in diesem Zusammenhang noch nicht untersucht.

[science.ORF.at, 15.04.08]
->   Testosteron
->   Cortisol
->   Department of Physiology, Development and Neuroscience
->   Cambridge Center of Brain Repair
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01.01.2010