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Das persönliche Genom im "Sonderangebot"  
  Wer rund eine Million US-Dollar übrig hat und am eigenen genetischen Bauplan interessiert ist, für den haben Forscher des Human Genome Sequencing Center in Houston (Texas) ein spezielles Angebot: In nur zwei Monaten könne mit einer neuen Technologie das persönliche Genom eines Menschen sequenziert werden, berichten sie in "Nature".  
Grob gesagt gelang es den Wissenschaftlern um David Wheeler, Tausende Proben gleichzeitig zu untersuchen und damit Preis und Zeit, die für die Sequenzierung nötig sind, zu drücken. Sie proklamieren den Beginn des "Zeitalters der personalisierten Genetik" - ein Fachkollege ist in einem die Studie begleitenden Kommentar vorsichtiger: Nachdem man überhaupt nicht wisse, wie Gene und Gesundheit zusammenspielen, könne davon noch keine Rede sein.
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Die Studie "The complete genome of an individual by massively parallel DNA sequencing" ist am 17. April 2008 in "Nature" erschienen (Band 452, S. 872-877, DOI:10,1038/nature06884).
->   "Nature"
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Marketing und Wissenschaft
Jeder Mensch soll wissen können, wie sein eigener genetischer Bauplan aussieht - was aufklärerisch klingt, entpuppt sich beim zweiten Hinsehen als geniale Marketingidee: Die Macht der Gene wird sowieso gerne als größer wahrgenommen als man bisher aus der Forschung belegen konnte. Und wer würde nicht gerne wissen, ob er ein Risiko für bestimmte Krankheiten in sich trägt, um rechtzeitig durch Sport und Ernährung gegenzusteuern?

Natürlich gibt es auch ein rein wissenschaftliches Interesse an der Sequenzierung von menschlichen Genomen: Etwa zu klären, welche Krankheiten tatsächlich eine primär genetische Ursache haben und wie Erbinformationen biochemische Abläufe im Körper steuern.
Bisherige Methode langwierig und teuer
Bei den Forschern um David Wheeler dürfte es sich um eine Mischung handeln: Zurecht beschreiben sie die Methode, wie sie bisher zur Entzifferung von Genomen verwendet wurde, als zu langwierig und teuer. Jeweils tausend Basenpaare wurden einzeln kultiviert und in meterlangen Glaskapillaren untersucht.

Dazu seien "industrieartige Genomzentren" nötig, die mehr Fabriken als Laboratorien ähneln, heißt es in der Studie.
Watson: Gut für die Vermarktung
Der Bedarf nach einer neuen Untersuchungsmethode ist also gegeben. Dass die Forscher es aber auch auf den großen Markt abgesehen haben, den das Versprechen des sequenzierten individuellen Genoms eröffnet, zeigen zwei Details:

Erstens wurde, um die neue Technologie auf ihre Verlässlichkeit zu überprüfen, ausgerechnet das Genom von James Watson herangezogen. Der genetische Bauplan des Forscher-Stars (Watson hat gemeinsam mit Francis Crick die Molekularstruktur der DNA entdeckt) war zwar schon vor der jetzt veröffentlichten Studie bekannt. Dass nun die Sequenzierung viel schneller und billiger als zuvor gelungen ist, ist in Verbindung mit dem berühmten Namen fast eine Schlagzeilengarantie.

Und zweitens wurde das Projekt gemeinsam mit der Firma 454 Life Sciences abgewickelt - ein Tochterunternehmen von Roche Diagnostics, das die Methode der nun durchgeführten Analyse vermarktet.
Technologischer Fortschritt
Das alles müsse man im Hinterkopf behalten, gleichzeitig aber den technologischen Fortschritt anerkennen, schreibt der Genetiker Maynard Olson von der School of Medicine der Universität Washington in einem die Studie begleitenden Kommentar.

David Wheeler und seinen Kollegen ist es gelungen, DNA-Samples in Tröpfchen einer Wasser-Öl-Emulsion zu "fangen", von denen mehr als 100.000 gleichzeitig kultiviert werden können.

Und auch bei der Sequenzierung selbst gelang ein Fortschritt: Die Proben wurden in winzig kleine Einkerbungen am Ende eines Glasfasers eingelagert, was die optische Messung, die zur eigentlichen Sequenzierung durchgeführt wird, erleichterte - und Geld und Zeit sparte.
Eine statt 100 Millionen US-Dollar
Mit ihrer Technologie sei es gelungen, die Kosten für eine Genom-Sequenzierung um den Faktor 100 zu drücken, schreiben die Forscher: von 100 Millionen US-Dollar auf "nur" eine Million, dauern würde sie nur mehr zwei Monate statt mehrerer Jahre.
"Auf symbolischer Ebene wichtig"
Abgesehen vom technologischen Fortschritt seien für Genetiker aber andere Fragen interessanter, meint hingegen Kommentator Olson: Was sagen die gewonnen Informationen tatsächlich über die körperliche Beschaffenheit eines Menschen aus? Lassen sich daraus Krankheitsrisiken ablesen?

Und da sehe es nach wie vor düster aus, weshalb die Studie von Wheeler und Kollegen "eher auf einer symbolischen Ebene wichtig ist denn als Beitrag zur Biologie des Menschen", formuliert Olson. Den Anbruch des Zeitalters der personalisierten Genetik kann er jedenfalls noch nicht erkennen.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 17.4.08
->   Human Genome Sequencing Center
->   David Wheeler
->   Maynard Olson
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01.01.2010