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Herkunft der Grippeviren: Asien oder Tropen?  
  Die beiden prominenten Fachjournale "Nature" und "Science" präsentieren sich diese Woche in trauter Zweisamkeit und veröffentlichen gleichzeitig je eine Studie zur Herkunft von Grippeviren. Inhaltlich gibt es allerdings gröbere Widersprüche: Die eine Studie sieht Asien als die "Wiege" neuer Virustypen, die andere hingegen die Tropen.  
Influenza ist eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten. An ihr erkranken nach WHO-Angaben jährlich drei bis fünf Millionen Menschen, 250.000 bis 500.000 sterben daran. Von den drei vorhandenen Virustypen ist die Gattung A die wichtigste - jener Typ, dessen saisonale Wanderungen nun untersucht wurden.
Oberflächenproteine geben Auskunft
Ein Team um Derek Smith der Cambridge University untersuchte insgesamt 13.000 Influenza-Viren, die sich zwischen 2002 und 2007 auf der Welt verbreitet hatten. Die Viren gehörten alle zum Subtyp H3N2, der seit einigen Jahren für die Epidemien auf der Welt verantwortlich ist.

Die Buchstaben H und N sind Abkürzungen für zwei Eiweiße auf der Oberfläche der Viren, Hämagglutinin und Neuraminidase. Diese verändern sich laufend in ihrem Aufbau , was zur Folge hat, dass auch die Grippe-Impfstoffe ständig verändert und so an die aktuelle Eiweiß-Variante angepasst werden müssen.
"Out-of-Asia" vs. ...
 
Bild: NASA/University of Cambridge

Smith und seine Mitarbeiter analysierten den Aufbau des Hämagglutinins und stellten fest, wie sich das Eiweiß im Laufe der Zeit veränderte und wo das passierte. Wie sie nun im Fachmagazin "Science" (Bd. 320, S. 340) berichten, entstehen neue Virusvarianten der Analyse zufolge immer in Ost- und Südostasien. In diesem Raum zirkulieren die Viren das ganze Jahr und verursachen immer wieder örtlich begrenzte Grippe-Ausbrüche, meistens während der Regenzeit in der jeweiligen Region.

Sobald die Viren Asien verlassen, verändern sie sich in ihrem Aufbau nur noch wenig. Die starken Reise- und Handelsverbindungen zwischen den betreffenden asiatischen Ländern und Europa, Nordamerika und Ozeanien erklären, warum die neuen Virusvarianten dort relativ schnell - nach sechs bis neun Monaten - auftauchen. Südamerika hingegen sei eher schlecht mit dem asiatischen Raum verbunden (Bild oben). Smith und Co. hoffen, dass ein verbessertes Viren-Monitoring im asiatischen Raum zu einer raschen Anpassung von Impfstoffen führen könnte.
... "Out-of-the-Tropics"
 
Bild: Nature/Andrew Rambaut et al.

Dieses Szenario steht allerdings im Widerspruch zu der zweiten, im Fachjournal "Nature" (doi: 10.1038/nature06945) publizierten Studie. Ein Team um den britischen Biologen Andrew Rambaut kommt nämlich zu dem Schluss, dass nicht nur Südostasien, sondern der gesamte tropische Raum als Refugium für neue Virenstämme dient. Demzufolge wandern die neuen Viren von der Äquatorregion ausgehend in die nördlichen bzw. südlichen Kontinente ein (Bild oben).

Auch in einem anderen Detail sind sich die beiden Teams uneinig. Rambaut und Kollegen sind der Meinung, dass Grippeviren in den gemäßigten Breiten das ganze Jahr überdauern und dann unter günstigen Bedingungen im Winter Epidemien hervorrufen können. Hierfür sehen die Forscher um Smith keinen Anhaltspunkt. Ob nun die "Out-of-Asia"- oder die "Out-of-the-Tropics"-Hypothese stimmt, müssen wohl Folgestudien klären.

[science.ORF.at/dpa, 17.4.08]
->   Derek Smith
->   Andrew Rambaut
->   Influenza - Wikipedia
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01.01.2010