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Elefantensprache: Forscher erkunden "Wortschatz"  
  Dr. Doolittles sind sie keine. Aber die Sprache der Tiere verstehen die Zoologen und Verhaltensforscher vom "Mammal Communication Lab" in Wien dennoch. Die größte Gefahr bei ihrer Arbeit ist, die tierische Kommunikation zu vermenschlichen. Der Ausweg: die strikte Einhaltung wissenschaftlicher Methodik.  
Kommunikationslabor der Säugetiere
Die Zoologin und Verhaltensforscherin Angela Stöger-Horwath erforscht gemeinsam mit ihrem Team im "Mammal Communication Lab" des Departments für Evolutionsbiologie der Uni Wien und des Tiergarten Schönbrunn die "Sprache der Tiere" - vom Elefanten über das Rhinozeros und die Giraffe bis zu den "Forschungsklassikern", den Affen. Neben chemischen und visuellen Signalen gehört nämlich auch die Akustik zu einem wesentlichen Kommunikationsmittel der Tiere.

Stöger-Horwath interessiert sich dabei vor allem für die Sprache der Dickhäuter. "Einerseits wollen wir die Tiere besser in ihrem Verhalten verstehen, ihre Bedürfnisse kennen lernen und ihre Kommunikation innerhalb ihrer Art beziehungsweise eine Tiergruppe entschlüsseln", führt die Teamleiterin des Labors aus. "Andererseits gibt es uns natürlich auch die Möglichkeit, die Evolution der eigenen menschlichen Sprache besser nachvollziehen zu können. Wir tun uns nämlich schwer, die Entwicklung unserer Kommunikation zu erforschen, schließlich fehlen uns dafür die Sprach-'Artefakte'. Wir wissen nicht, wie unsere Vorfahren gesprochen haben."
Primitive Form von Hauptresonanzen
Die Forscher orientieren sich daher an der Sprache der Tiere. Warum sind wir Menschen beispielsweise so gute Vokal-Imitatoren und in der Lage andere Sprachen zu erlernen, unsere nächsten Verwandten, die Primaten, aber nicht? Wale und Papageien hingegen können Selbstlaute sehr wohl gut nachahmen. "Aus den Erkenntnissen der vergleichenden Forschung können wir sehr viel über die eigene Sprachentwicklung lernen", so die Zoologin, die 2007 für die Vermittlungsarbeit ihrer Forschung mit dem zweiten Platz des FWF-Preises für Wissenschaftskommunikation ausgezeichnet worden ist.

"Beispielsweise spielen Formanten in der Sprache der Menschen eine wichtige Rolle. Diese Konzentration akustischer Energie auf einen bestimmten Frequenzbereich ist quasi die Grundvoraussetzung für eine verständliche Sprache. Die Lage und Ausprägung der Formanten prägen maßgeblich die Klangfarbe der Stimme. Solche Hauptresonanzen - der menschliche Resonanzraum hat vier bis fünf dieser Formanten - gibt es auch bei vielen Tieren - allerdings in primitiver Form."
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Schwerpunkt: "Sprechen Sie Wissenschaft?"
"Sprechen Sie Wissenschaft? Wissenschaftssprache im öffentlichen Dialog" heißt eine Initiative von BMWF und Ö1 Wissenschaft. Forscher und Forscherinnen verschiedener Disziplinen reflektieren dabei in science.ORF.at in Gastbeiträgen und Interviews über den wissenschaftlichen Sprachgebrauch und den Bedarf an Wissenschaftskommunikation.
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Dissonanzen im tierischen Sprachrepertoire
Die Sprache der Tiere hat auch Dissonanzen, emotionale Färbungen. "Elefanten können sich auch mehr oder weniger freuen", so Stöger-Horwath. "Die Tierlaute sind den basalen Lauten des Menschen sehr ähnlich. Auch bei ihnen verändert sich die Stimme je nach Stimmungslage." Allerdings verständigen sich Elefanten zu zwei Drittel mit Tönen, die der Mensch gar nicht wahrnehmen kann. Mit sehr tiefen Intraschall-Lauten können sich die Tiere über Distanzen von bis zu zehn Kilometern "unterhalten".

"Das ist auch notwendig, wenn man die natürliche Umgebung der Elefanten - beispielsweise die afrikanische Steppe - berücksichtigt", so die Zoologin, die mit ihrem Team regelmäßig Feldforschungsarbeit in Afrika betreibt. "Dort müssen die Tiere über große Entfernungen miteinander kommunizieren können - dazu eignet sich der Infraschall-Bereich ideal."
Dialekte im Tierreich
Die Elefanten haben - ähnlich der Menschen - durchaus auch Dialekte. "Bei den Schwertwalen beispielsweise hat jede Gruppe ihre eigenen Laute", so die Forscherin. "Die Tiere können sich also auch anhand der Lautfärbung von anderen Gruppen unterscheiden."

Gibt es dann auch Sprachunterschiede zwischen Afrikanischen und Asiatischen Elefanten? "Durchaus, die sind zum Teil sogar beträchtlich", fügt Stöger-Horwath hinzu. "Beide machen tiefe Infraschall-Laute. Aber die asiatischen Tiere erzeugen auch so genannte Sequenten. Das sind Chirp-Laute. Warum das so ist, untersuchen wir gerade."

Beispielsweise wollen die Forscher wissen, ob es auf Grund dessen zu "Kommunikationsschwierigkeiten" zwischen den Arten kommen kann. Besonders im Zoo könnte es durch das "bunte Zusammenmischen" verschiedener Arten zu Problemen kommen.
Gefahr der Vermenschlichung
Wie umgeht man nun die Gefahr, die Sprache der Tiere allzu menschlich zu betrachten? "Wir orientieren uns strikt an der wissenschaftlichen Methodik", resümiert Stöger-Horwath. "Wir beobachten und dokumentieren jeden Laut und jede Reaktion des einzelnen Tieres, aber auch der gesamten Gruppe - sowohl mit Ton- als auch Videoaufnahmen. Wir untersuchen eigentlich das Verhalten rund um einen Laut, um herauszufinden wofür dieser steht." Erst die Häufigkeit gibt den Forschern dann ein Indiz für die Bedeutung des Lautes.


"Deshalb muss die Untersuchungsstichprobe auch möglichst hoch sein, bevor wir wirklich eine Aussage treffen können", so die Zoologin. "Die Laute sind ja auch nicht immer gleich." An die 70 verschiedene Laute lassen sich bei den Elefanten bislang dokumentieren. Sie werden zur Begrüßung, bei Bedrohung oder zur Bekanntgabe von Futterquellen genutzt.

Umgekehrt verstehen auch die Elefanten die Sprache der Menschen. So haben die Dickhäuter im Tiergarten Schönbrunn gelernt, mit welchem Wort die Tierpfleger von ihnen einen kontrollierten Abzug durch Festhalten des Rüssel am Schwanz des Vordermanns wünschen: Ein kurzer Befehl namens "Tail" reicht aus.

Eva-Maria Gruber, science.ORF.at, 21.4.08
->   Mammal Communication Lab
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01.01.2010