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20 Jahre Molekularküche  
  Bei welcher Temperatur gerinnt Eiweiß, wozu kann flüssiger Stickstoff in der Küche dienen? Solche Fragen stehen im Mittelpunkt der Molekularküche, die es seit nunmehr 20 Jahren gibt.  
Physiker, Chemiker und Köche zogen kürzlich in Paris bei einem Kolloquium Bilanz und tauschten Erfahrungen aus. Und stellten dabei mit Genugtuung fest, dass die zunächst als Spinnerei verspottete Disziplin heute zunehmend bei Spitzenköchen auf Interesse stößt.
Sorbet in einer Sekunde
Einer von ihnen ist der Spanier Ferran Adria, dessen Restaurant "El Bulli" im katalanischen Rosas heute eine Pilgerstätte für Gourmets aus ganz Europa ist. Schließlich haben die gestrengen Prüfer des Michelin-Führers dem Spanier für seine "avantgardistische, kreative" Küche die Höchstnote von drei Sternen zuerkannt. Adria experimentiert vor allem mit extremen Temperaturunterschieden, durch die die Konsistenz von Nahrungsmitteln verändert werden kann.

Aber auch Stoffe wie Alginsäure, eine aus Braunalgen gewonnene Substanz, oder Kalziumchlorid finden in der Molekularküche ihre Anwendung. Ihre Anhänger verwenden beispielsweise flüssigen, minus 196 Grad kalten Stickstoff, der die Herstellung von Eis und Sorbets im Bruchteil einer Sekunde ermöglicht. Oder sie produzieren mundgerechte Kapseln, in denen Nahrungsmittel konzentriert sind.
Hummer in der Kapsel
Der Sternekoch Thierry Marx etwa hat gemeinsam mit einem Forscher von der Pariser Hochschule für Physik und Chemie Kapseln geschaffen, die beim Zerplatzen im Mund den Geschmack von Hummer, verfeinert durch Spuren von Schalotten, freigeben. Zum Nachtisch empfiehlt er seine Birne-Helene-Kapseln, die nach Birnen, Vanille und Schokolade schmecken.
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Begründer: Nicholas Kurti und Herve This
Initiiert wurde die Molekularküche im Frühjahr 1988 von dem englischen Physiker Nicholas Kurti und dem französischen Chemiker Herve This. Sie begannen, die naturwissenschaftlichen Phänomene zu studieren, die etwa beim Kochen und Braten oder beim Rühren von Mayonnaise entstehen. Und mit der Zeit begaben sie sich auf Neuland. So kreierten sie etwa Schaum aus Stopfleber, der ähnlich wie Schlagobers durch das Beimischen von Luft entsteht.
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Kochen am Max-Planck-Institut
In Deutschland fanden die Molekularköche einen Anhänger in dem Physiker und begeisterten Hobby-Koch Thomas Vilgis, der beim Max-Planck-Institut in Mainz eine Arbeitsgruppe für Polymerforschung leitet. Er verfasste das Standardwerk "Molekularküche - ganz einfach", das auch für Laien verständlich ist. Sie erfahren beispielsweise, welche Rolle die Temperatur in der Küche spielt, warum kurz und heiß gebratenes Schnitzel anders schmeckt als Fleisch, das langsam und vakuumverpackt bei 60 Grad gegart wird.

Vilgis erklärt, was zu tun ist, damit die Sauce hollandaise nicht gerinnt und das Käsesouffle nicht in sich zusammenfällt. Er erläutert die "molekularen Aspekte des Ei-Schaums" und gibt Tipps zum "Dopen" von Braten durch Marinieren mit dem Spritzbesteck. Mit seinem extra für Kinder verfassten Buch "Die Molekülchen-Küche" will der Physiker auch Nachwuchs-Köche für's Experimentieren am Herd begeistern. Unter anderem erklärt er, wie ein guter Hamburger zustande kommt.
Kritik an der Kritik
Doch wie in den 70er Jahren die "Nouvelle Cuisine" hat auch die Molekularküche ihre Kritiker, die sie für eine vergängliche Modeerscheinung halten. Der Pariser Drei-Sterne-Koch Guy Savoy etwa ist skeptisch. Diese experimentelle Kochkunst sei kaum mit der klassischen französischen Küche zu vereinbaren. Diese verwende die Produkte in ihrer natürlichen Konsistenz. Die Molekularküche aber ziele darauf ab, die Konsistenz der Ausgangsprodukte zu verändern.

Für den Meisterkoch Marx, der im südwestfranzösischen Pauillac ein Feinschmeckerrestaurant betreibt, sind solche Einwände "aufklärungsfeindlich". Die Küche sei immer mit ihrer Zeit gegangen, argumentiert er. Die Molekularköche seien auf dem besten Weg, die "traditionelle Kochkunst" der kommenden Jahre zu schaffen.

Dominique Schroeder und Jutta Hartlieb, AFP, 18.4.08
->   Molekulargastronomie - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010