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Geschlecht und Ernährung: Müsli macht Söhne  
  Frauen, die zur Zeit der Befruchtung gerade Diät halten, bekommen eher Töchter als Söhne. Ein reichhaltiges Frühstück hingegen hat den gegenteiligen Effekt, berichten britischen Forscher in einer aktuellen Studie.  
Das (fast) zufällige Geschlecht
Ob's ein Junge wird oder ein Mädchen, liegt bei uns Menschen (und vielen anderen Lebewesen) an den Geschlechtschromosomen. Und ob nun XX oder XY in der Eizelle zusammen kommen, bleibt dem Zufall überlassen, haben wir in der Schule gelernt. Stimmt auch im Wesentlichen, allerdings gibt es Faktoren, die bei der Lotterie der Chromosomenverteilung ein bisschen nachhelfen.

Nehmen wir als Beispiel die sogenannten Segregationsverzerrer: Das sind super-egoistische Gene, die ihre eigene Vermehrung auf Kosten der restlichen Erbfaktoren betreiben. Was etwa bei Fruchtfliegen dazu führt, dass sich das Geschlechterverhältnis zu Gunsten der Männchen neigt, auch wenn das nicht unbedingt im Sinne des "Erfinders" ist.
Man ist, was Muttern isst
Ähnliche verzerrende Faktoren gibt es auch aus der Abteilung Umwelt, einen davon hat sich nun die britische Biologin Fiona Mathews genauer angesehen. Sie wollte herausfinden, ob die Ernährung das Geschlecht des Nachwuchses beeinflusst. Zu diesem Zweck führte sie Interviews mit 740 britischen Schwangeren durch - wichtig dabei: Die Probandinnen wussten nicht, ob sie eine Tochter oder einen Sohn bekommen würden, indirekte Einflüsse durch Kenntnis des Geschlechts waren also weitgehend ausgeschlossen.

Das Ergebnis fiel jedenfalls überraschend klar aus. Mütter, die zum Zeitpunkt der Befruchtung Diäten hielten, bekamen offenbar häufiger Töchter, solche, die sich reichhaltig ernährten, hingegen eher Söhne. Der Effekt in Zahlen: Der Anteil der Söhne betrug im oberen Kaloriendrittel 56 Prozent, im unteren sackte er auf 45 Prozent ab.

Ein Detail am Rande: Statistisch noch deutlicher war der Zusammenhang mit dem Frühstück. Zerealien - Müsli und Cornflakes etwa - sind demnach ein Menü, das die Wahrscheinlichkeit für Söhne deutlich erhöht, schreibt Mathews mit ihrem Team in den "Proceedings of the Royal Society B" (doi:10.1098/rspb.2008.0105). Das klingt kurios, dementsprechend hat man bei dem altehrwürdigen britischen Fachjournal den ungewöhnlich peppigen Studientitel: "You are what your mother eats" gewählt.
Von Theoretikern bereits vorausgesagt
Aus Sicht der Theorie indes ist das gar nicht so überraschend. Der US-Soziobiologe Robert Trivers sagte bereits in den 1970ern voraus, dass es (auch beim Menschen) solche Effekte geben müsste, ganz einfach deshalb, weil Weibchen und Männchen unterschiedliche Fortpflanzungsstrategien verfolgen.

"Männchen können im Prinzip mehr Nachkommen haben als Weibchen, allerdings wird das stark vom sozialen Rang beeinflusst. Schwache Männchen können beispielsweise auch bei der Fortpflanzung ganz scheitern", sagt Mathews.

"Weibchen pflanzen sich auf der anderen Seite eher beständig fort. Wenn eine Mutter im Überfluss lebt, dann ist es sinnvoll einen Sohn zu haben, weil er vermutlich mehr Enkel produzieren wird als eine Tochter. In mageren Zeiten ist es hingegen besser eine Tochter zu haben."

Der nun festgestellte Effekt hat freilich nichts mit einer bewussten Steuerung zu tun , sondern muss irgendwie über den Stoffwechsel laufen. Von künstlichen Befruchtungen bei Rindern weiß man beispielsweise, dass der Glukosegehalt im Nährmedium ebenfalls das Geschlecht beeinflusst - Details sind aber noch unbekannt.
Mangel im Überfluss
Davon abgesehen stellt man sich natürlich die Frage: Wie passt das mit der immer größer werdenden Zahl von Übergewichtigen zusammen? Sollten dadurch nicht immer mehr Söhne entstehen? Studien zeigen allerdings, dass deren Anteil seit 40 Jahren kontinuierlich zurückgeht. Mathews und ihre Kollegen versuchen in ihrer Arbeit diese Widersprüche mit folgenden Antworten zu klären:

Fettsucht hat möglicherweise gar nicht so viel mit einer hohen Kalorienaufnahme zu tun, sondern eher mit Bewegungsmangel. Sollte das der Fall sein, dann könnten Diäten tatsächlich einen stärkeren Effekt haben, als bisher gedacht.

Dass in Industriestaaten immer weniger Söhne geboren werden, wird zwar üblicherweise mit Umweltgiften und ähnlichen Stressfaktoren erklärt, aber auch das könnte mit Diäten zu tun haben, schreiben die britischen Biologen. Zumindest beim Frühstück gibt es einen klaren Trend:

Während im Jahr 1965 noch 86 Prozent aller US-Amerikaner den Tag mit einem Frühstück begannen, lag der Wert 1991 nur mehr bei 75 Prozent. Bei halbwüchsigen Mädchen war er sogar noch niedriger: Von ihnen ließ jede dritte das Frühstück komplett ausfallen.

[science.ORF.at, 23.4.08]
->   Fiona Mathews
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01.01.2010