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Zugvögel: Sehen mit dem "Quantenauge"  
  Und wieder ist die Wissenschaft um eine kuriose Hypothese reicher: Ein griechischer Physiker meint, dass die Navigation von Zugvögeln auf einem Quanteneffekt beruht. Viele Fachkollegen hat er davon allerdings noch nicht überzeugt.  
Magnetit oder Proteine
Dass sich manche Vögel am Magnetfeld der Erde orientieren können, ist durch Versuche bestens belegt. Wie sie das tun, ist indes noch nicht restlos geklärt. Im Prinzip gibt es zwei konkurrierende Hypothesen. Die eine besagt, dass die Vögel Feldlinien über Magnetitkristalle in ihrem Schnabel wahrnehmen.

Die andere geht davon aus, dass der Magnetsinn über eine chemische Zwischenstufe läuft, und zwar über lichtempfindliche Proteine im Auge der Tiere. Bei der zweiten Hypothese gibt es allerdings eine Argumentationslücke. Dass sich nämlich Magnetit zur Orientierung im Magnetfeld eignen sollte, ist aus physikalischen Gründen naheliegend, bei Proteinen ist das hingegen nicht so einfach.
Elektronenspin "fühlt" Magnetismus
Die Idee, um diese Lücke zu schließen, ist folgende: Lichtteilchen erzeugen in den Proteinen positiv und negativ geladene Ionen, deren Elektronen einen jeweils unterschiedlichen Spin aufweisen. Dieser Spin ist wiederum wichtig, weil er mit dem Magnetfeld in Wechselwirkung tritt.

Das könnte der Ansatzpunkt für die chemische Magnet-Orientierung sein, vermuten daher einige Forscher. Das Problem dabei ist aber, dass die Ionen nur extrem kurz stabil sind - deutlich kürzer als die Mindestdauer für eine Magnetfeld-Spin-Wechselwirkung.
Zenon-Effekt im Vogelauge?
Kein wirkliches Problem, meint nun der griechische Pyhsiker Iannis K. Kominis und präsentiert als Lösung des Dilemmas einen guten alten Bekannten aus der Quantenwelt, den sogenannten Zenon-Effekt. Dabei geht es im Wesentlichen darum, dass gewisse quantenmechanische Vorgänge verzögert werden, einzig und allein dadurch, dass bestimmte Messungen vorgenommen werden. Bildlich gesprochen: Diese Messungen frieren das Quantensystem gewissermaßen ein, so verringern sie beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass radioaktive Atome zerfallen.

Etwas ähnliches könnte auch im Vogelauge passieren, meint nun Kominis in seiner Studie, die er auf dem Preprintserver "arXive" veröffentlicht hat (0804.2646). Forscher, die ausgeklügelte Messungen vornehmen, gibt es dort freilich nicht, aber laut Kominis Berechnungen könnten auch die zwischen den Ionen wirkenden Kräfte einen Zenon-Effekt auslösen.
Reaktionen: Bitte Tests!
Die Reaktionen innerhalb der Forschergemeinde sind bislang eher zurückhaltend. Der Physiker Thorsten Ritz von der University of Cailfornia in Irvine meint etwa gegenüber dem "New Scientist": "Das ist wirklich nett und sollte weiterverfolgt werden. Aber bevor ich etwas davon glaube, möchte ich experimentelle Tests sehen."

Abgesehen von der physikalischen Argumentation dürfte die Hypothese auch einen grundsätzlichen Schwachpunkt haben. Sonke Johnsen, ein Biologe von der Duke University, sagt: "Es ist überhaupt nicht klar, wie man einen Richtungssensor aus Molekülen macht, die frei diffundieren und rotieren." Anders ausgedrückt: Die Vögel könnten demzufolge nur das Magnetfeld wahrnehmen, aber nicht dessen Ausrichtung.

Robert Czepel, science.ORF.at, 2.5.08
->   Iannis Kominis
->   Quanten-Zeno-Effekt - Wikipedia
->   New Scientist
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01.01.2010