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Faultiere: Agiler als gedacht  
  Tiere in Gefangenschaft schlafen deutlich mehr als ihre Artgenossen in freier Wildbahn. Hinweise darauf liefert eine Studie an Faultieren: Sie schlafen im tropischen Regenwald rund neun Stunden täglich - im Zoo hingegen sechs Stunden mehr.  
Lebensnotwendige Ruhephase
In der griechischen Mythologie waren Hypnos und Thanatos Brüder. Der eine brachte uns den Schlaf, der andere den Tod. Ganz falsch war das nicht, wie Tierversuche zeigen: Schlaf ist lebensnotwendig, zwingt man Tiere zum andauernden Schlafentzug, entgleist der Stoffwechsel, was in letzter Konsequenz zum Tod führt.

"Warum wir schlafen, ist noch nicht eindeutig geklärt", sagt der US-amerikanische Schlafforscher Niels Rattenborg im Gespräch mit science.ORF.at: "Aber es gibt eine Menge an Hinweisen, dass Schlaf vor allem der Konsolidierung des Gedächtnisses dient."

Das ist zumindest die Haupttheorie zu diesem Thema. Andere gehen etwa davon aus, dass der Schlaf eine "Nachtankphase" im Hirnstoffwechsel sei, dass er ursprünglich entstanden sei, um Energie zu sparen, oder dass er mit der Aufrechterhaltung der Körpertemperatur zu tun habe. Im Prinzip könnten sie alle richtig sein. Denn es ist ja nicht gesagt, dass es nur einen biologischen Grund gibt, bisweilen ein Nickerchen einzulegen.
Besonders schläfrig: Das Gürteltier
Zoologen wissen jedenfalls bemerkenswerte Differenzen zwischen verschiedenen Arten zu berichten. Meister des Müßiggangs unter den Säugetieren sind vermutlich die Gürteltiere. Sie verschlafen sage und schreibe 20 Stunden eines Tages. Recht anspruchslos sind hingegen Esel, die mit rund drei Stunden pro Tag ihr Auslangen finden.

Warum gibt es so große Unterschiede? "Das hat mit den ökologischen Lebensbedingungen zu tun", erklärt Rattenborg. "Grundsätzlich gilt: Kleine Tiere schlafen mehr als größere, Fleischfresser brauchen mehr Schlaf als Pflanzenfresser und Tiere mit größeren Gehirnen haben mehr Tiefschlafphasen".
Überprüfung im Urwald
 
Bild: Bryson Voirin

Knapp nach den Gürteltieren rangieren die Faultiere im Spitzenfeld des Phlegmas (Bild oben). Laut einer Studie aus dem Jahr 1983 verschlafen sie satte 15,85 Stunden pro Tag, den Rest der Zeit scheinen sie, wie man von Zoobesuchen weiß, auch nicht gerade vor Energie zu sprühen. Wobei "Zoo" auf eine wichtige Unbekannte in diesem Forschungsfeld hinweist. Die bisherigen Erkenntnisse stammen nämlich allesamt von Tieren in Gefangenschaft, unter anderem deswegen, weil die entsprechenden Messungen bisher nur im Schlaflabor möglich waren.

Rattenborg, der am Max-Planck-Institut für Ornithologie im deutschen Seewiesen die "Sleep & Flight Group" leitet, hat sich die Sache nun im Freiland angesehen. Er und seine Mitarbeiter haben zu diesem Zweck eine Art EEG-Mütze entwickelt - eine tragbare Variante der bisher üblichen, sperrigen Geräte zur Messung der Hirnströme.

Als Untersuchungsobjekt wählten die Verhaltensforscher Faultiere aus. Weil sie so langsam sind? "Ja, das auch. Langsame Tiere kann man im Wald nicht so leicht verlieren", sagt Rattenborg. "Der zweite Grund hat mit dem Temperament der Faultiere zu tun. Sie haben nichts dagegen, wenn man ihnen eine Kappe aufsetzt. Andere Tiere würden vermutlich versuchen, sie wieder vom Kopf zu zerren."
Von wegen faul
Das Ergebnis der in den "Biology Letters" (doi:10.1098/rsbl.2008.0203) veröffentlichten Versuche war einigermaßen überraschend. Faultiere im Freiland schlafen lediglich 9,63 Stunden pro Tag - also um gut sechs Stunden weniger als ihre Kollegen in Gefangenschaft. Wohl deshalb, weil sie in der freien Wildbahn mehr Zeit benötigen, um Nahrung zu beschaffen und sich vor Feinden zu schützen. Bzw. umgekehrt formuliert: weil es im Zoo eben sehr fad ist.

Das könnte bedeuten, dass auch die Untersuchungen an anderen Tierarten völlig daneben liegen und im Freiland wiederholt werden müssten. Rattenborg sieht bereits eine völlig neue Disziplin am Horizont der Wissenschaft auftauchen, die Öko-Schlafforschung. Zu revidieren wäre angesichts der Studienresultate auch unser Sprachgebrauch. Womöglich hat das arme Faultier seinen Namen ganz zu Unrecht.

Robert Czepel, science.ORF.at, 14.5.08
->   Niels Rattenborg
->   Faultiere - Wikipedia
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01.01.2010