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Wie Vogelschnäbel die Schwerkraft besiegen  
  Schon Charles Darwin hat vor 150 Jahren die Eignung von Vogelschnäbeln zur Futtersuche hervorgestrichen. Manchen Wasservögeln hingegen sollten die langen Schnäbel bei ihrer Futtersuche eigentlich im Weg sein. Wie sie ihre Beute dennoch fressen können, haben nun US-Forscher entdeckt: In Wassertropfen enthaltene Kleinstlebewesen wandern ihren langen Schnabel und gegen die Schwerkraft entlang direkt ins Maul.  
Die Tiere benutzen dabei die Oberflächenspannung des Wassers, berichten Manu Prakash vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und sein Team. Um ihre Beobachtungen zu überprüfen haben sie künstliche Schnäbel gebaut und die natürlichen Vorgänge simuliert.
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Die Studie "Surface Tension Transport of Prey by Feeding Shorebirds: The Capillary Ratchet" ist am 16.5.08 in "Science" (Bd., 320, S. 931) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Zur Futtersuche im Kreis schwimmen
 
Bild: Rainey Shuler

Der Galoropus aus der Familie der Watvögel und Gattung der Wassertreter ist ein recht schräger Vogel. Glänzende Füße hat er, das verrät schon sein griechischer Namen. Dazu zeichnet er sich auch noch durch ein außergewöhnliches Fressverhalten aus, wie Zoologen schon länger bekannt ist.

Vertreter der Art schwimmen im Wasser schnell im Kreis und erzeugen so eine Art Wirbel (siehe Bild oben), der Kleinkrebse und andere Wasserlebewesen Richtung Oberfläche spült.

Die Vögel picken dann von der Wasseroberfläche kleine Tropfen auf, können diese aber aufgrund der Länge und Form ihres Schnabels nicht einfach aufsaugen.
->   Video der Wasser wirbelnden Vögel
Oberflächenspannung und Reibungskräfte
Stattdessen nutzen sie zwei altbekannte Phänomene der Physik: die Oberflächenspannung von Wasser sowie die Reibungskräfte zwischen flüssigen und festen Flächen - in diesem Fall von Tropfen und Schnabel.

Mit Hilfe dieser zwei Ingredienzien können die Vögel laut Manu Prakash und seinem Team die im Wasser eingeschlossene Nahrung gegen die Schwerkraft transportieren und dann fressen.
Pinzettentechnik mit 3,6 km/h
 
Bild: Rainey Shuler

Ein Tropfen samt Beute ist bereits im Schnabel

Konkret sieht das so aus: Die Vögel öffnen und schließen ihre Schnäbel mehrfach schnell hintereinander, wodurch die einzelnen Tropfen aufgrund ihrer Oberflächenspannung Stück für Stück verschoben werden.

Je schneller die Vögel ihren Schnabel öffnen und schließen, desto schneller bewegt sich der Tropfen samt der darin eingeschlossenen Kleinstlebewesen zum Schlund der Tiere.

Die Geschwindigkeit dieser "Pinzettentechnik" beträgt laut den Forschern im Schnitt einen Meter pro Sekunde - umgerechnet immerhin rund 3,6 km/h.
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Bild: Rainey Shuler

Detailaufnahme des Schnabels mit Tropfen
So funktioniert's
Öffnet sich der Schnabel der Vögel, wird der Tropfen gestreckt und die Kontaktfläche zur Schnabeloberfläche wird kleiner. Dieser Effekt ist Richtung Schnabelspitze größer, so dass der Tropfen Richtung Hals rutscht, und zwar auch gegen die Schwerkraft. Physikalischer Hintergrund ist die Kontaktwinkelhysterese.
->   Kontaktwinkelhysterese
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Gefahr durch Ölunglücke und andere Chemieunfälle
Von großer Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des von den Forschern als "Kapillar-Sperre" ("capillary ratchet") bezeichneten Systems sei die Benetzbarkeit des Schnabels mit Wasser.

Verunreinigungen, etwa durch Öl oder Lösungsmittel, veränderten die Benetzbarkeit und führten schlimmstenfalls zu einem Versagen des Transportsystems.

Die Vögel seien deshalb in ihrem Lebensraum besonders von Ölunglücken oder anderen Chemieunfällen bedroht.

[science.ORF.at/APA/dpa, 16.5.08]
->   Ein weiterer Watvogel, der im Kreis schwimmt (Youtube)
->   Kontaktwinkel
->   Manu Prakash, MIT
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Darwin-Finken: "Schlüssel"-Gen für Schnabellänge
->   Flinke Tröpfchen
 
 
 
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01.01.2010