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Zahnarztspritze mit Chili  
  Eine Spritze beim Zahnarzt haben US-Mediziner entwickelt, die kein taubes Gefühl folgen lässt. Der Schmerz wird dabei durch Substanzen ausgeschaltet, die u. a. von der Chilischote stammen.  
Die Wirkstoffkombination besteht aus einem Abkömmling (QX314) des lokalen Schmerzmittels Lidocain und Capsaicin, der Brennen verursachenden Substanz aus Chilischoten.
Öffnet Ionenkanäle
"Capsaicin öffnet Ionenkanäle, die nur in der Membran von Nervenzellen vorkommen, die für die Wahrnehmung von Schmerz zuständig sind. Über die geöffneten Kanäle gelangt QX314 in die Nervenzellen und blockiert die Schmerzsensoren", erklärte Clifford Woolf von der Harvard Medical School in einem Festvortrag am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch.

"Erstmals ist es uns gelungen, körpereigene Membrankanäle für den Medikamententransport zu nutzen, um gezielt Schmerzsensoren auszuschalten", sagte er.
Bisher alle Arten von Nervenzellen betäubt
Lokalanästhetika sind Schmerzmittel, die in der Regel eingesetzt werden, um Patienten ohne Vollnarkose operieren zu können. "Diese gewöhnlichen Lokalanästhetika, Lidocain eingeschlossen, wirken jedoch auf alle Nervenzellen in dem betäubten Gebiet", erläuterte Woolf.

Sie blockieren nicht nur Schmerz-, sondern auch Tastsensoren, und die motorischen Nervenzellen (Motoneurone), die Muskeln steuern. Taubheit und Bewegungseinschränkungen im dem betäubten Areal sind die Folge.
Nun gezielte Ausschaltung der Schmerzsensoren
Um Schmerzsensoren gezielt auszuschalten, aber die Tastsensoren und Motoneurone unberührt zu lassen, setzten die Wissenschaftler das nicht aktive, positiv geladene QX314 ein. Das besondere an QX314 ist, dass es, im Gegensatz zu Lidocain, die Zellhülle von Nervenzellen aufgrund seiner Ladung ohne Hilfe nicht überwinden kann. Da Lokalanästhetika jedoch nur wirken, wenn sie sich in Nervenzellen befinden, bleibt eine QX314-Injektion allein wirkungslos.

Die Forscher koppelten deshalb QX314 an Capsaicin, um es in die Nervenzelle zu schleusen. Capsaicin bindet an ein Oberflächenprotein (TRPV1), das nur in der Hülle von Nervenzellen vorkommt, die für die Schmerzwahrnehmung zuständig sind. Capsaicin öffnet dadurch Membrankanäle, durch die QX314 in die Zelle strömen und die Schmerzsensoren blockieren kann.
Im Rattentest erfolgreich
An Ratten konnten die Wissenschaftler zeigen, dass die neue Kombination aus QX314 und Capsaicin, die sie in die Hinterläufe der Tiere verabreicht hatten, ausschließlich die Schmerzwahrnehmung blockiert. Die Ratten nahmen keine Schmerzreize mehr wahr, konnten sich aber trotzdem normal bewegen und auf Berührungen reagieren.

[science.ORF.at/APA/dpa, 16.5.08]
->   Clifford Woolf, Harvard Medical School
->   Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC)
 
 
 
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01.01.2010