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Krebsgefahr: Nanoröhrchen wie Asbest  
  Nanotechnologie ist heute schon weit verbreitet: in Putzmitteln, Computerchips und Sonnencremes befinden sich die winzigen Teilchen mit ihren herausragenden Eigenschaften. Mögliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit wurden bisher eher vernachlässigt. Eine aktuelle Tierstudie zeigt nun, dass bestimmte Kohlenstoff-Nanoröhrchen die Entstehung von Krebs genauso begünstigen können wie Asbestfasern.  
Jahrzehnte lang wurde die Gefahr von Asbest unterschätzt, an den resultierenden Krankheiten wie z.B. Lungenkrebs leiden heute noch weltweit Millionen Menschen.

Damit ähnliches nicht auch mit Nanoröhrchen passiert, empfehlen Studienautor Ken Donaldson von der Universität Edinburgh und sein Team auf bestimmte Formen des Materials zu verzichten sowie weitere Untersuchungen durchzuführen.
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Die Studie "Carbon nanotubes introduced into the abdominal cavity of mice show asbestoslike pathogenicity in a pilot study" von Donaldson et al. ist am 20. Mai online in "Nature Nanotechnology" erschienen (doi:10.1038/nnano.2008.111).
->   Abstract der Studie
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Enormes wirtschaftliches Potenzial
Die Wirtschaft sieht in der Nanotechnologie enormes Potenzial. Nanotech-Waren im Wert von rund 56 Milliarden Euro wurden im Vorjahr weltweit produziert. Die Beratungsagentur "Lux Research" schätzt, dass dieser Markt bis 2014 auf 1,65 Billionen Euro wachsen wird.

Eine Schlüsselrolle dabei könnten Materialien und Anwendungen spielen, die auf Kohlenstoff-Nanoröhrchen beruhen. Diese "nanotubes" stehen aber auch im Verdacht, die menschliche Gesundheit schädigen zu können - etwa durch Einatmen oder Aufnahme über die Haut.
Asbestverbote kamen viel zu spät
Als negatives Vorbild wird dabei gerne auf die Wirkung von - ebenfalls winzigen - Asbestfastern verwiesen. Jahrzehntelang wurde Asbest in der Bauindustrie verwendet, zum Teil als die krankheitserregende Wirkung (Asbestose, Lungenkrebs) längst bekannt war. Erst ab den 1980er Jahren wurden Asbestverbote eingeführt, viele Gebäude asbestfrei gemacht.

Ein ähnliches Schicksal soll Kohlenstoff-Nanoröhrchen und ihren menschlichen Anwendern in Zukunft erspart bleiben, finden Ken Donaldson und seine Kollegen. Sie stammen von dem US-amerikanischen "Project on Emerging Nanotechnologies", das sich um die Auswirkungen der neuen Technologie auf Umwelt und Gesundheit kümmert.
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Nanotechnologie
Ein Nanometer ist der milliardste Teil eines Meters, umgerechnet 0,000001 Millimeter. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist rund 0,1 Millimeter dick. In der Nanotechnologie geht es um die Erzeugung kleinster Strukturen zwischen einem und 100 Nanometern. Dabei nutzt man gezielt jene Effekte, die bei derart kleinen Teilen - und nur dort - auftreten.
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Zellschicht wird angegriffen
Das Medizinerteam hat untersucht, was bestimmte "nanotubes" im Körper von Mäusen auslösen. Die Forscher haben dazu verschiedene Typen von Nanoröhrchen und Asbestfasern in die Bauchhöhlen der Nager verpflanzt.

Bei (relativ) langen Nanoröhrchen wie auch langen Asbestfasern zeigten sich die gleichen Ergebnisse: Im Mesothelium - einer Schutzmembran, die sowohl die Bauchhöhle als auch das Brustfell umgibt - kam es zu Entzündungen, die zu krankhaften Wucherungen des Gewebes führten.
Krebsauslösend?
Aus den Erfahrungen mit Asbest weiß man: Bei Menschen, die über lange Zeit Asbest ausgesetzt waren, steigt die Chance, im Mesothelium Tumoren zu entwickeln, drastisch an. Der Schluss, dass auch die untersuchten Nanopartikel verstärkt Krebs auslösen können, wird von den Forschern nahegelegt - aber noch nicht gezogen. Dafür bedürfe es weiterer Studien.

Donaldson beeilt sich in einer Aussendung hinzuzufügen: "Bei unserer Studie geht es um Good News, nicht um Bad News. Sie zeigt, dass Nanoröhrchen und ihre Produkte sicher gemacht werden können."
Kleinst-Röhrchen ohne negative Folgen
Zwei Ursachen werden dafür in der Studie angeführt: Zum einen haben sich die Entzündungsreaktionen nur bei den relativ langen "nanotubes" gezeigt, kürzere oder geschraubte haben bei den Mäusen hingegen keine schädlichen Reaktionen ausgelöst.

Zum anderen müssten die Nanomaterialien erst einmal in den menschlichen Bauch- oder Brustraum kommen, um etwaige Schäden anzurichten - und genau das gilt es zu verhindern, betonen die Forscher.

Sowohl bei der Produktion als auch beim Gebrauch von etwaigen Nanomaterialien müsse es entsprechenden Atem- und sonstigen Schutz geben.
Ein Weckruf für die Nanotechnologie
Mitautor Andrew Maynord hält die Studie für einen "Weckruf der Nanotechnologie", der weitere Untersuchung dringend folgen sollten:

"Als Gesellschaft können wir es uns nicht leisten, diese unglaublichen Materialien nicht zu nutzen. Genausowenig können wir es uns leisten, sie falsch zu nutzen - so wie wir das mit Asbest gemacht haben."

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 20.5.08
->   Project on Emerging Nanotechnologies
->   Ken Donaldson, University of Edinburgh
->   Lux Research
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01.01.2010