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Afrikanische Ärzte sehen "wissenschaftlichen Imperialismus"  
  Die Stiftung von Bill und Melinda Gates spendet viel Geld in Afrika, zahlreiche Regierungen und Firmen aus Industriestaaten ebenso. In sogenannten Public-Private Partnerships schließen sich Firmen, private Geldgeber und Regierungen zusammen. Eine Reihe solcher Partnerschaften widmet sich der Erforschung und Bekämpfung ansteckender Krankheiten wie AIDS, Malaria oder Tuberkulose.  
Sie koordinieren die Forschung, verteilen Forschungsgelder und entwickeln neue Medikamente. Unter den Geldgebern finden sich Ministerien, die EU, Stiftungen wie die Rockefeller-Foundation oder Firmen wie Exxon.

Zwei südafrikanische Ärzte haben sich angesehen, in welchem Ausmaß afrikanische Wissenschaftler in diesen Partnerschaften vertreten sind und kommen zu dem Schluss: kaum. Die beiden Forscher sprechen daher von "wissenschaftlichem Imperialismus".
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Der Kommentar "Public-Private Partnerships and Scientific Imperialism" von T. J. Tucker und M. W. Makgoba ist im Policy Forum von "Science" erschienen (Band 320, S. 1016).
->   Abstract des Kommentars
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"Vernachlässigte Krankheiten"
Infektionskrankheiten wie AIDS, Malaria und Tuberkulose, die vor allem in tropischen Gebieten vorkommen und meist Menschen mit geringem Einkommen betreffen, werden als vernachlässigte Krankheiten (neglected diseases) bezeichnet.

Laut Tucker und Makgoba wird für die Bekämpfung dieser Krankheiten nur ein kleiner Teil der Gelder verwendet, die weltweit für medizinische Forschung ausgegeben werden. Dies zeigt sich auch bei der Entwicklung von Medikamenten: Von 1393 Medikamenten, die zwischen 1975 und 2000 neu auf den Markt gekommen sind, waren nur 13 spezifisch für tropische Krankheiten, so die Autoren.
Weiß, männlich, nördlich
Die beiden Wissenschaftler nahmen neun dieser Partnerschaften unter die Lupe: Alle haben ihren Sitz in Industriestaaten - sieben in den USA, zwei in Genf. Kein einziger der Vorstände kommt aus einem afrikanischen Land, sie stammen aus Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und meist aus den USA. Nur zwei der neun Vorstände sind Frauen.

In den Vorstands- und Verwaltungsgremien finden sich nur wenige Afrikaner: Ihr Anteil in den Vorstandsgremien liegt zwischen Null und einem Viertel, in den Beiräten sitzen zwischen Null und 18 Prozent Afrikaner.

Die Einbindung afrikanischer Forscher in die Entscheidungsgremien sei aber bedeutend, um die Studien den kulturellen Besonderheiten Afrikas anpassen zu können, so die beiden Autoren. In den betroffenen Gebieten arbeiten laut den Autoren viele afrikanische Mitarbeiter; genaue Angaben zum Prozentsatz afrikanischer wissenschaftlicher Mitarbeiter haben die Autoren aber nicht.
Korruption und fehlende Kapazitäten
Neben dem Vorwurf, dass hier neokoloniale Strukturen aufrecht er halten würden, äußern die beiden Autoren aber auch Kritik an den afrikanischen Ländern. Diese seien durch Korruption in Misskredit geraten.

In vielen Ländern fehlen darüber hinaus Kapazitäten, um Öffentlich-Private Partnerschaften in Afrika aufzubauen. Würde man aber andererseits durch solche Partnerschaften bessere Karrieremöglichkeiten für Wissenschaftler in Afrika schaffen, würden weniger von ihnen den Kontinent verlassen und sich auch die Kapazitäten verbessern, so die Autoren.
Enttäuschte Hoffnungen
Afrikanische Wissenschaftler hätten laut Tucker und Makgoba große Hoffnungen in die Öffentlich-Privaten Partnerschaften gesetzt. Man hat gehofft, leichter an Forschungsgelder zu kommen, die davor ausschließlich von öffentlichen Stellen in Industriestatten vergeben wurden. Auch mehr Mitbestimmung hat man sich erwartet. Durch die Entscheidungsstrukturen der Partnerschaften hat sich hier laut den Autoren aber wenig geändert.

Mit den Öffentlich-Privaten Partnerschaften sind laut Tucker und Makgoba nun mehr Ressourcen zur Erforschung vernachlässigter Krankheiten verfügbar und neue Mittel entwickelt worden.

Mark Hammer, science.ORF.at, 23.5.08
->   Öffentlich-Private Partnerschaft bei Wikipedia
->   "Vernachlässigte Krankheiten"
->   T. J. Tucker
->   M. W. Makgoba
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->   Afrika: Bisher größter AIDS-Impfstofftest gestartet
 
 
 
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01.01.2010