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Forschung & Fußball: Ein Vergleich  
  Im Vorfeld der EURO will selbst die Wissenschaft nicht auf Anleihen beim Fußball verzichten. Österreichs Forschung sei jedenfalls besser aufgestellt als dessen Nationalteam, konstatieren nun Experten.  
Ein Witzchen in Ehren
Was hat der italienische Verteidiger Marco Materazzi beim Endspiel der Fußball-WM 2006 tatsächlich zu Zinedine Zidane gesagt, kurz bevor sich dieser mit seiner unrühmlichen Kopfstoß-Attacke revanchierte? "Du spielst wie ein Österreicher!"

Diesen Witz erzählte der kaufmännische Direktor des Instituts für molekulare Pathologie (IMP), Harald Isemann, Donnerstag Abend bei der Veranstaltung "Club Research" in Wien zum Thema "Globale Transfermärkte - was die Forschung vom Fußball lernen kann". Um gleich festzustellen, dass er noch nie gehört habe, dass jemand sage: "Du forschst wie ein Österreicher!".

Und so waren sich die Diskutanten mit Heinz Engl, Vizerektor für Forschung an der Universität Wien, einig, dass es "selbstverständlich" der österreichischen Forschung besser gehe als dem heimischen Fußball. Die Rahmenbedingungen für die Forschung seien sehr gut - mit einer Ausnahme: "Das derzeitige Dienstrecht ist ein Wettbewerbsnachteil, mit dem sind wir international nicht konkurrenzfähig", sagte Engl.
"Tenure Tracks" für Nachwuchs notwendig
Im Zentrum der Kritik steht, dass man dem Nachwuchs keine Perspektive geben könne und Verträge nur mehr befristet vergeben werden. Die Folge: Die Uni Wien könne etwa einer Forscherin, die gegen schärfste internationale Konkurrenz einen renommierten "Starting Grant" des European Research Council (ERC) erhalten hat, keinen Vertrag für die Dauer des Stipendiums geben.

Notwendig sei, sogenannte "Tenure Tracks" anzubieten wie in den USA, also befristete Verträge mit Aussicht auf unbefristete Anstellung bei entsprechender Leistung. Und junge Forscher rasch selbstständig werden zu lassen. Möglich wäre all dies mit dem neuen, bereits ausgehandelten, aber von der Regierung noch nicht finanzierten Kollektivvertrag für die Unis, "gebt uns endlich die Möglichkeit dazu", appellierte Engl an das Wissenschaftsministerium.
Dienstrecht ein "Stolperstein"
Auch der START-Preisträger Bernhard Lamel vom Institut für Mathematik der Uni Wien sieht im Dienstrecht einen "echten Stolperstein". Während man in den USA, bei entsprechendem Erfolg, nach fünf bis sechs Jahren zum "Full Professor" werde, könne man in Österreich nur über eine Berufung Professor werden.

Ganz andere Bedingungen gibt es dagegen am IMP: Dort gebe es mit ganz wenigen Ausnahmen nur befristete Verträge. Dies sei für das Institut ein "wichtiges Prinzip, um frisches Blut und neue Ideen hereinzubekommen".
Geld schadet nicht
Auch wenn man in der Forschung keine Transfersummen zahlen muss, dominiere wie im Fußball "big money", war man sich einig. Dabei gehe es nicht darum, welche Gehälter man zahle, auch wenn diese international konkurrenzfähig sein müssen. Vielmehr müssten die Rahmenbedingungen stimmen, etwa die Infrastruktur wie Laborausstattung, und das koste viel Geld, sagte Isemann, der hier auf die Vorteile der geplanten Elite-Uni "Institute for Science and Technology Austria" (I.S.T. Austria) verwies.
Keine Österreicher am I.S.T. Austria
Dessen Interim-Manager Gerald Murauer betonte, dass man bei der Suche nach Forschern nicht an den österreichischen Unis abwerben werde, auch wenn rund ein Siebentel der Bewerbungen aus Österreich komme. "Auf diese werden wir nicht zurückgreifen", sagte Murauer. Was wiederum Engl beruhigte, der so von I.S.T. Austria eine Belebung für die österreichische Forschungslandschaft erwartet. Murauer sieht sein Institut "zu Erfolg verdammt".

Neben der finanziellen Grundausstattung für die kommenden zehn Jahre von 200 Mio. Euro würde die Regierung jeden von I.S.T. Austria als Drittmittel eingeworbenen Euro bis zu rund 100 Mio. Euro verdoppeln, womit man auf ein Budget von bis zu 400 Mio. Euro kommen könne. "Ein solches Anreizsystem würde ich mir auch für andere Einrichtungen in Österreich wünschen", sagte Murauer.

Noch eine Analogie sah Engl zwischen Fußball und Forschung: "Interessant am Fußball ist das Unvorhersagbare - und das ist in der Wissenschaft genauso."

[science.ORF.at/APA, 6.6.08]
 
 
 
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01.01.2010