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Synapsen: Je mehr Proteine, desto leistungsfähiger  
  Die komplexe Gehirnstruktur des Menschen gibt der Forschung bis heute Rätsel auf. Dass unser Gehirn so viel leisten kann, muss biologische Grundlagen haben, soweit die einhellige Meinung. Wie diese aussehen, blieb umstritten. Britische Forscher glauben nun, die Antwort gefunden zu haben: in der molekularen Struktur der Synapsen.  
Synapsen sorgen für die Reizweiterleitung zwischen Nervenzellen, sowohl bei einfach gebauten wirbellosen Tieren als auch beim Menschen.

In sich sind diese Anschlussstellen aber höchst unterschiedlich zusammengesetzt, schreiben der Molekularbiologe Seth Grant von dem auf Genomforschung spezialisierten Sanger Institute in Cambridge und seine Kollegen.
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Die Studie "Evolutionary expansion and anatomical specialization of synapse proteome complexity" ist am 8. Juni 2008 online in "Nature Neuroscience" erschienen (doi:10.1038/nn.2135).
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Messen und Wiegen
Bei der Suche nach den Besonderheiten des menschlichen Gehirns machte man sich zunächst an das Messen und Wiegen.

Und tatsächlich zeigte sich: Der Mensch verfügt zwar nicht über das größte Denkorgan unter den Säugetieren (er wird von den Pottwalen und den Elefanten locker abgehängt), allerdings besticht beim Homo sapiens das Verhältnis zwischen Gehirngröße und Körpergewicht: Das Gehirn des Menschen ist deutlich voluminöser als etwa bei den nahe verwandten Affen.
Synapsen falsch eingeschätzt?
Das ließ Forscher schon früh vermuten, dass die Abspaltung des Menschen vom Affen und die Entwicklung seiner besonderen kognitiven Fähigkeiten mit der Ausdehnung des Denkorgans zu tun hatte.

Die Forscher um Seth Grant bemängeln, dass diesen Überlegungen eine grundlegende Einheit fehlt: die Analyse der Schaltstellen des Gehirns, der sogenannten Synapsen. Von ihnen nahm man bisher an, dass sie bei allen Lebewesen ähnlich strukturiert sind und nur ihre Anzahl mit steigender Gehirnkapazität zunimmt.
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Synapsen
Synapsen sind die Schaltstellen im Gehirn. Sie sorgen dafür, dass elektrische Signale durch eine Reihe biochemischer Prozesse von einer Nervenzelle zur nächsten weitergeleitet werden. Sie sind aber nicht simple Verbindungselemente, sondern - wie Grant und Kollegen sie nennen - "Mikroprozessoren", die dem Nervensystem die Fähigkeit verleihen zu lernen und zu erinnern.
->   Mehr über Synapsen (Wikipedia)
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"Dramatische Unterschiede"
Die Wissenschaftler interessierten sich besonders für die Proteinzusammensetzung der Synapsen. Diese analysierten sie bei Fruchtfliegen und verglichen ihre Ergebnisse mit bereits vorhandenen Erkenntnissen zum anderen Arten, auch zum Menschen.

"Wir fanden dramatische Unterschiede ", zeigt sich Grant von den Ergebnissen überrascht. Insgesamt nahmen die Forscher 600 Proteine unter die Lupe, die man in den Synapsen von Säugetieren findet. Nur die Hälfte davon war auch in den Synapsen von wirbellosen Tieren vorhanden, gar nur ein Viertel bei Einzellern.
Weniger Proteine, weniger Denkvermögen
Laut Seth Grant und seinen Kollegen entspricht eine reduzierte Protein-Zusammensetzung einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Nervensystems und - so vorhanden - des Gehirns: "Die Anzahl und Komplexität der Proteine explodierte zwei Mal: einmal, als vor einigen Milliarden Jahren die ersten vielzelligen Lebewesen entstanden, und noch einmal, als die Wirbeltiere in Erscheinung traten, wahrscheinlich vor 500 Millionen Jahren".

Komplex konstruierte Synapsen waren vor der Entstehung großer Gehirne vorhanden, sind sich die Forscher sicher. Sie könnten demnach die Grundlage für die Entstehung voluminöser Denkorgane - und damit letztlich auch für die kognitiven Fähigkeiten des Menschen - gelegt haben.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 9.6.08
->   Seth Grant
->   Wellcome Trust Sanger Institute
Mehr über Synapsen in science.ORF.at:
->   Synapsenbildung erst nach 24 Stunden dauerhaft (13.8.07)
->   Ursprung des Nervensystems bei Schwämmen? (6.6.07)
->   Wichtiges Protein für Synapsen identifiziert (16.1.06)
 
 
 
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01.01.2010