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Tierversuch: Instant-Therapie gegen Alkoholsucht  
  Die Entwöhnung von Alkohol ist äußerst schwierig. "Trockene" Trinker müssen oft ein Leben lang mit dem Verlangen nach der Droge kämpfen und oft macht ein einziges Glas alle Anstrengungen augenblicklich zunichte. Eine neue Therapie versucht durch die Manipulation eines bestimmten Gehirnproteins dieses extreme Verlangen auszuschalten.  
Zumindest in einer an Ratten durchgeführten Studie konnte dabei sowohl die Abhängigkeit sehr schnell bekämpft als auch einem Rückfall vorgebeugt werden. Andere Bedürfnisse, wie etwa die Lust auf Süßes, sind davon aber nicht betroffen, berichten die Forscher rund um Sebastien Carnicella von der University of California.
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Der Artikel "GDNF is a fast-acting potent inhibitor of alcohol consumption and relapse" von Sebastien Carnicella et al. erscheint zwischen 10. und 13. Juni in den "Proceedings of the National Academy of Science" (Bd. 105, DOI: 10.1073/pnas.0711755105).
->   Studie
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Verlangen nach Alkohol durch Protein reduziert
Bereits in einer vorhergehenden Studie hatten die Forscher vom Ernest Gallo Research Center und dem Department of Neurology der University of California festgestellt, dass ein erhöhter Spiegel des Gehirnproteins GDNF das Verlangen nach Alkohol deutlich reduziert. Dieses sogenannte Neurotrophin ist ein körpereigener Signalstoff, welche Verbindungen zwischen Nervenzellen erzeugt und deren Fortbestand sichern.

Dieses Protein spielt auch eine wichtige Rolle bei neuen Ansätzen zur Bekämpfung der Parkinson'chen Krankheit. In diesem Zusammenhang wurde auch ein - noch im Versuchsstadium befindliches - Medikament entwickelt, welches den Spiegel des Nervennährstoffes erhöht.
Augenblickliche Wirkung nach Erhöhung des Spiegels
Nachdem bei der Alkoholkrankheit offenbar dasselbe Protein beteiligt ist, beschlossen die Wissenschaftler rund um Carnicella, die Wirkung des neuen Arzneimittels in der aktuellen Studie zu testen.

Im ersten Teil der Untersuchung wurden die Ratten zwei Monate lang an den Alkohol gewöhnt. Danach injizierten die Forscher den Tieren das Medikament und zwar in eine Gehirnregion - die sogenannte ventrale tegmentale Area - von der man weiß, dass sie bei Abhängigkeit generell eine zentrale Rolle spielt.

Egal ob die Tiere zu schweren oder leichten Trinkern erzogen wurden, bei allen sank die Motivation zu trinken fast augenblicklich nach der Verabreichung, nämlich zehn Minuten später. Außerdem hielt der Effekt laut den Forschern drei Stunden an.
Andere Bedürfnisse bleiben unbeeinflusst
In einer zweiten Versuchsreihe erhielten die Ratten Zuckerwasser. Die Lust auf das süße Getränk blieb auch nach der Gabe des GDNF-erhöhenden Mittels erhalten.

Daraus zog das Forscherteam den Schluss, das Medikament hätte keinerlei Auswirkungen auf andere Arten des Verlangens, normalerweise ein großes Problem bei der medikamentösen Behandlung von Alkoholkranken.
Weniger Rückfälle
Im letzten Teil der Studie wurde das große Rückfallrisiko bei dieser Abhängigkeit untersucht. Dafür wurden die Ratten trainiert, einen Hebel zu drücken, um Alkohol zu erhalten. Sobald ihr Verlangen nach der Droge sehr hoch wurde, wurde sie den Tieren vorenthalten. Zuerst drückten sie weiter den Hebel, nach einer Weile gaben sie auf.

Sobald wieder ein Drink serviert wurde, kam jedoch der Rückfall und die Süchtigen verlangten nach derselben Menge, wie vor dem unfreiwilligen Entzug. Wurden sie allerdings mit dem neuen Medikament behandelt, verloren sie laut den Wissenschaftlern rasch die Lust an der Droge.

Die Forscher sind jetzt auf der Suche nach einem bereits zugelassenen Wirkstoff, der eine ähnliche Wirkung hat, um die Therapie weiter entwickeln und anwenden zu können.

[science.ORF.at, 10.6.08]
->   Neurotrophin (Wikipedia)
->   Sebastien Carnicella
->   Ernest Gallo Research Center
->   Department of Neurology, University of California
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01.01.2010