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Aufmerksamkeitsstörung als evolutionärer Vorteil  
  Die Aufmerksamkeitsstörung (ADHS) gilt heute als Krankheit und wird häufig medikamentös behandelt. Dabei kann laut einer aktuellen Studie eine Veranlagung dazu für Nomadenvölker durchaus von Vorteil sein.  
Demnach sind Nomaden mit einer Genvariante, die mit dem Auftreten von ADHS in Zusammenhang gebracht wird, besser ernährt und generell gesünder als die Verwandten ohne entsprechende Variation.

Die Störung macht sie offenbar geeigneter für den unsteten Lebenswandel.
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Der Artikel "Dopamine receptor genetic polymorphisms and body composition in undernourished pastoralists: An exploration of nutrition indices among nomadic and recently settled Ariaal men of northern Kenya" ist im OpenAccess-Journal "BMC Evolutionary Biology" (DOI: 10.1186/1471-2148-8-173) erschienen.
->   Studie
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Genvariation begünstigt Aufmerksamkeitsstörung
Das untersuchte Gen (DRD4) trägt die Informationen für den Bau von Rezeptoren im Gehirn, die auf den Botenstoff Dopamin reagieren. Es beeinflusst somit sowohl Eigenschaften wie Impulsivität, Neugierde und Unruhe als auch die Fähigkeit, das Verlangen nach Nahrung zu kontrollieren.

Das Gen kann in mehreren Varianten auftreten, von denen eine dafür bekannt ist, impulsives Verhalten und damit vermutlich auch das Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) zu begünstigen.

Dieses Syndrom tritt in den Industrieländern vor allem bei Kindern auf. Es äußert sich unter anderem in Konzentrationsstörungen, emotionaler Unberechenbarkeit und Gedächtnisproblemen.
Besser ernährt durch Veranlagung
Für ihre Studie nahmen die US-amerikanischen Forscher rund um Dan Eisenberg von der Northwestern University Genproben zweier Volksgruppen der in Kenia lebenden Ariaal. Eine davon lebt nach wie vor sehr ursprünglich, die andere hat sich mittlerweile niedergelassen. Die Häufigkeit der Genvariation war bei beiden Gruppen relativ gleich.

Beim Body-Mass-Index (BMI) als Maß für den Ernährungszustand ergab sich laut den Forschern jedoch ein deutlicher Unterschied: Die nomadisch lebenden Probanden mit der Genvariante waren besser ernährt als ihre Stammesangehörigen ohne entsprechender Veranlagung. Bei den sesshaften Probanden war es genau umgekehrt.
Günstig nur für "echte" Nomaden
Die für Träger der Genvariante typischen Verhaltensweisen wirkten sich offenbar nur bei Nomaden positiv aus, bei denen das unstete Umherziehen sowie die ständige Suche nach Nahrung und Wasser zum Überlebenskonzept gehören. Die Wissenschaftler vermuten sogar, dass sich die Veranlagung aufgrund dieser Vorteile während der Evolution des Menschen erhalten und verbreitet hätte.

Doch schon bei den sesshaft gewordenen Ariaal bringe die Variante Nachteile mit sich, da sich die Träger weniger gut auf Landwirtschaft oder Handel konzentrieren könnten.

[science.ORF.at, 10.6.08]
->   ADHS (Wikipedia)
->   Dan T.A. Eisenberg
->   Northwestern University
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->   "Zappelphillip": Konferenz streitet um Ursachen (28.2.08)
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->   Zusatzstoffe können Hyperaktivität steigern (14.9.07)
 
 
 
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01.01.2010