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Schwangerschaftsabbruch: Frauen immer jünger  
  Immer jüngere Frauen und Mädchen wollen oder können ihr Kind nicht zur Welt bringen und brechen die Schwangerschaft ab, berichtet das pro:woman-Ambulatorium am Fleischmarkt in Wien.  
Elf Prozent sind jünger als 20 Jahre
Sommer, Urlaub, Maturareise - erfahrungsgemäß wenden sich in den darauffolgenden Wochen mehr junge Frauen an das pro:woman-Ambulatorium, dann nämlich wenn sie schwanger sind und aus vielerlei Gründen nicht Mutter werden wollen.

Bei pro:woman am Fleischmarkt in Wien spricht man von einem besorgniserregenden Trend: Die Frauen und Mädchen, die eine Schwangerschaft abbrechen, werden immer jünger. Elf Prozent der Patientinnen sind zwischen 14 und 19 Jahre alt; vor wenigen Jahren war der Anteil deutlich niedriger (vier Prozent).
Zu wenig Wissen
Warum junge Mädchen ungewollt schwanger werden und die Schwangerschaft abbrechen, dazu meint Elke Graf, die Geschäftsleiterin vom pro:woman-Ambulatorium, in Radio Österreich 1:

"Wir stellen fest, dass 46 Prozent überhaupt nicht verhütet haben. Davon sagt uns ein großer Teil, dass sie nicht gedacht haben, zum Zeitpunkt des ungeschützten Geschlechtsverkehrs fruchtbar zu sein.

Ein Viertel sagt, sie haben ungeplanten Sex gehabt und haben daher vorher nicht an Verhütung gedacht. Das sind Entwicklungen, die Rückschlüsse auf das Wissen der jungen Frauen zulassen ¿ ob es ausreichend ist oder nicht. Die Antwort ist sicher 'nein'."
Porno statt Aufklärung
Die Hälfte der Mädchen, die zum Schwangerschaftsabbruch ins Ambulatorium kommt, habe sehr wohl verhütet, aber falsch, so Elke Graf.

Das (vermeintliche) Wissen über Sexualität, Verhütung, Schwangerschaft beziehen die Jugendlichen großteils aus Massenmedien, sagt Wolfgang Kostenwein vom Österreichischen Institut für Sexualpädagogik:

"Es gibt Unterschiede zwischen Mädchen und Burschen: Bei den Mädchen sind es die Printmedien; bei den Burschen die bewegten Bilder ¿ Fernsehen, Pornos, Internet. Wir haben in einer Studie festgestellt, dass über 50 Prozent der Burschen inzwischen angeben, dass sie ihre Informationen zum Thema Sexualität aus Pornos beziehen."
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Safer Sex? Sagt mir nichts...
Ein Drittel der Jugendlichen schützt sich beim ersten Geschlechtsverkehr nicht durch ein Kondom. Die Hälfte nimmt bei weiteren Malen nicht immer oder gar nie eines. Das hat eine Befragung von 560 Unter-20jährigen im Auftrag von Österreichischer AIDS-Gesellschaft und einer Pharmafirma im Frühjahr ergeben.
->   HIV: Jugendliche schützen sich selten mit Kondom
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Keine Aufzeichnungen für Österreich
Zahlen, wie viele Frauen pro Jahr in Österreich eine Schwangerschaft abbrechen, gibt es nicht, nur Schätzungen. Elke Graf vom pro:woman-Ambulatorium geht von insgesamt 30.000 bis 35.000 pro Jahr aus - basierend auf den Vergleichen mit anderen Staaten, die ähnliche Gesetze haben.

Bei den 15- bis 19-Jährigen geht man von 17,5 Schwangerschaftsabbrüchen pro 1.000 Frauen aus. Im Vergleich dazu hat die Schweiz mit 5,4 auf 1.000 Frauen die geringste Quote, Russland mit 55,3 die höchste.

Auf der vermuteten und hochgerechneten Zahl von 30.000 bis 35.000 Abbrüchen beruht auch die Schätzung von Elke Graf, dass in Österreich für Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr 17,5 Millionen Euro ausgegeben werden.
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Fristenlösung
Der Schwangerschaftsabbruch ist in Österreich seit mehr als 30 Jahren straffrei, wenn er - nach ärztlicher Beratung - in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft erfolgt. Dieses Gesetz ¿ "Fristenregelung" bzw. "Indikationslösung" - ist 1974 nach Kontroversen letztlich nur mit den Stimmen der SPÖ beschlossen worden und am 1. Jänner 1975 in Kraft getreten.
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Sexualpädagogik an Schulen gefordert
Die Aufklärung wiederum würde nur einen Bruchteil kosten, so Elke Graf im Ö1 Mittagsjournal: Stelle die öffentliche Hand nur 10 Prozent von der geschätzten Summe [Anm. die für Schwangerschaftsabbrüche ausgegeben wird] für die Aufklärung Verfügung, könnten bis zu 70 Sexualpädagoginnen und Pädagogen beschäftigt werden und 350.000 Jugendliche professionell angesprochen werden.

Aufklärung müsse über den Biologie- und Religionsunterricht hinausgehen, so Elke Graf. Doch einen speziellen sexualpädagogischen Unterricht gebe es in Österreich nicht - nur in Projekten an Wiener Schulen. Doch das wäre wichtig, um Mädchen und Burschen nicht nur zu informieren, sondern um vor allem Mädchen selbstbewusster in Sachen Verhütung
zu machen, meint die Geschäftsleiterin des spezialisierten Ambulatoriums.
Gratsikondome für die Urlaubsreise
Erfahrungsgemäß steige nach dem Sommer, nach Urlaub und Maturareise, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche speziell bei jungen Frauen, so das pro:woman-Ambulatorium.

Um an die Verhütung gerade in der Sommerlaune und im Urlaub zu erinnern, verteilen im Auftrag der Spezialklinik Jugendliche an Jugendliche Kondome - zum Beispiel am Flughafen Wien.

Barbara Daser, Ö1 Wissenschaft, 11.6.08
->   Der Beitrag im Ö1 Mittagsjournal
->   pro:woman-Ambulatorium
->   Österreichisches Institut für Sexualpädagogik
 
 
 
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01.01.2010