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Nanotherapie: Krebszellen "kochen"  
  US-Forscher rücken Krebs mit Hilfe der Nanotechnologie zu Leibe: Sie haben Tumorzellen mit Nanoantennen ausgestattet, die Infrarotlicht in Wärme umwandeln. Die Tumorzellen sterben dadurch den Hitzetod - bisher allerdings nur im Reagenzglas.  
Revolution im Labor
Im Jahr 1984 erhielten der deutsche Biologe Georges J. F. Köhler und sein argentinischer Fachkollege César Milstein den Nobelpreis für Medizin. "Für die Entdeckung des Prinzips zur herstellung monoklonaler Antikörper", lautete die Begründung des Nobelpreiskomitees.

Antikörper sind Proteine, die unser Immunsystem an sich für die Erkennung und Markierung von Viren und Bakterien nutzt, um sie danach möglichst effektiv zu zerstören. Die Sache mit der Markierung macht die Antikörper auch für die Laborforschung interessant: Sie haften nämlich nicht an irgendwelchen, sondern an ganz spezifischen Stellen, so ähnlich wie ein Schlüssel eben nur in ein Schloss passt. Ergo kann man sie auch außerhalb des Körpers für die biomedizinische Diagnostik einsetzen, sofern man ihnen eine Art Wimpel - eine typische Farbreaktion, ein Lichtsignal oder ähnliches verpasst.

Wirklich exakt geht das allerdings nur mit Antikörpern, die genau gleich reagieren. Und genau dieses Problem haben Köhler und Milstein gelöst. Ihre Methode war für das Labor so wichtig wie die Xerokopie für das Büro: Mit ihr war es erstmals möglich, exakte Kopien von Antikörpern anzufertigen, millionenfach, billig und in jeder erdenklichen Passform.
Hitzeangriff auf Krebszellen
Kurz danach kamen findige Forscher auf die Idee, die Heerschar der Antikörper auch zu therapeutischen Zwecken einzusetzen. Beispielsweise bietet sich an, sie Huckepack mit einem Toxin oder einem Medikament auszustatten, auf dass sie an Tumorzellen binden und töten, ohne den Rest des Körpers in Mitleidenschaft zu ziehen.

Der Ansatz wurde bereits mehrfach erfolgreich verwirklicht, Ellen Vitetta hat nun eine recht elegante Variante dieser Idee vorgestellt. Die Krebsforscherin vom Southwestern Medical Center in Dallas hat Antikörper mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen ausgestattet, die Infrarotlicht absorbieren und in Form von Wärmeenergie wieder abgeben. Wie Vitetta in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas.0803557105) berichtet, eignet sich diese Eigenschaft, um Krebszellen den Hitzetod sterben zu lassen.

"Infrarotlicht ist für die punktgenaue Erhöhung der Temperatur besonders attraktiv, weil lebendige Gewebe keine Strahlung dieser Wellenlänge absorbieren", sagt Ellen Vitetta. Anders ausgedrückt: Im Idealfall beginnen die Tumorzellen zu kochen, während der gesunde Rest des Körpers weitgehend unbehelligt bleibt.
Hürdenreicher Weg bis zur Klinik
Bislang funktioniert die Methode allerdings nur im Reagenzglas, als nächstes folgen Tierversuche, klinische Tests am Menschen sind indes noch in weiter Ferne. Vitetta: "Wir wollten in dieser Studie zeigen, dass man Krebszellen so spezifisch töten kann. Momentan arbeiten wir an Mäusen, bei der Übersetzung der Therapie in klinische Studien gibt es noch einige Hürden."

Als echte Hürde könnten sich etwa Risiken und Nebenwirkungen von Nanomaterialien erweisen. Erst kürzlich berichtete eine Forschergruppe im Fachblatt "Nature Nanotechnology" (doi: 10.1038/nnano.2008.111), dass manche Nanoröhrchen eine ähnlich krebsfördernde Wirkung wie Asbestfasern haben könnten. Das wäre freilich keine wünschenswerte Eigenschaft - schon gar nicht für die Krebstherapie.

Robert Czepel, science.ORF.at, 17.6.08
->   Ellen Vitetta
->   Monoklonaler Antikörper - Wikipedia
->   Kohlenstoffnanoröhre - Wikipedia
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01.01.2010