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Teilchenbeschleuniger: Kein Risiko für die Erde  
  Winzige Schwarze Löcher, seltsame Materie und andere bedrohliche Dinge könnten im neuen Teilchenbeschleuniger (LHC) des Forschungsinstituts CERN in Genf entstehen und die Existenz der Erde bedrohen, so die Befürchtung von Kritikern. Forscher geben nun Entwarnung: In einem umfangreichen Sicherheitsbericht erklären sie, warum die Entstehung derartiger Objekte äußerst unwahrscheinlich und schon gar nicht bedrohlich ist.  
Der vorwiegend auf theoretischen Argumenten basierende Report erscheint rechtzeitig, bevor der Teilchenbeschleuniger spätestens im Herbst dieses Jahres nach vielen Verzögerungen seinen Betrieb aufnehmen wird.
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Der Report der LHC Safety Study Group "Review of the Safety of LHC Collisions" von John Ellis et al. wurde am 15.6. auf der Website der European Organization for Nuclear Research (CERN) veröffentlicht.
->   Zum Report
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Ungeahnte Folgen hochenergetischer Teilchenkollisionen?
Im "Large Hadron Collider" (LHC) werden im Vakuum Protonen und Bleiatomkerne mit nahezu Lichtgeschwindigkeit zur Kollision gebracht, um Elementarteilchen zu erzeugen. Dabei sollen besonders massereiche Elementarteilchen entstehen, manche kennt man nur aus der Theorie. Die Energie, die dabei entstehen kann, übertrifft alles, was derartige Beschleuniger bisher erreicht haben.

Das ist auch einer der Gründe, warum schon vor der Inbetriebnahme des Geräts zahlreiche Befürchtungen auftauchten. Die hochenergetischen Teilchenkollisionen könnten ungeahnte Folgen haben und so auch die Erde gefährden.

Diese Ängste haben sogar zu einer Klage geführt. Der Amerikaner Walter Wagner meint nämlich, dass die Wissenschaftler ein nicht abschätzbares, lebensbedrohliches Risiko eingehen. Auf seiner Website wirbt er um Mitstreiter.
->   Large Hadron Collider - The Legal Defense Fund Site
Energien geringer als bei kosmischer Strahlung
Nicht für Walter Wagner, sondern um allgemeine Bedenken zu zerstreuen, veröffentlichte das CERN bereits im Jahr 2003 einen Sicherheitsbericht zum Thema. In der aktualisierten Version, ergänzt durch neue theoretische Argumente und empirische Daten, bescheinigen die beteiligten Physiker dem LHC völlige Unbedenklichkeit.

Bevor sich die Studienautoren rund um John Ellis, theoretischer Physiker am CERN, den unerwünschten Phänomenen im Einzelnen widmen, stellen sie fest, dass bei den - unter kontrollierten Laborbedingungen stattfindenden - Kollisionen zwar enorme Energiemengen frei werden.

Diese seien aber deutlicher geringer als jene, die frei werden, wenn kosmische Strahlen die Atmosphäre der Erde oder andere Himmelskörper treffen, ohne dass diese je daran Schaden genommen hätten.
Schwarze Löcher - unmöglich oder harmlos?
In der Folge geht der Bericht näher auf die mögliche Entstehung hypothetischer Objekte durch den LHC ein. So befürchten etwa die Gegner, dass schwarze Mini-Löcher auftauchen, welche die Erde verschlingen könnten. Laut Einstein'scher Relativitätstheorie kann das eigentlich gar nicht passieren, so die Sicherheitsexperten.

Sollte das Unmögliche doch eintreten, würden sich die kleinen Objekte augenblicklich wieder auflösen, genau das sagen die spekulativen Theorien dazu nämlich voraus. Und wenn sich entgegen allen Theorien stabile schwarze Löcher bilden könnten, wären sie harmlos, schreiben die Forscher.
Seltsame Materie unwahrscheinlich
Auch "seltsame Materie", die unter anderem aus ebenso seltsamen Strange-Quarks besteht, kann laut den Wissenschaftlern am LHC nicht entstehen.

Die Wahrscheinlichkeit dafür sei auf jeden Fall geringer als am RHIC, den größten in Amerika stehenden Teilchenbeschleuniger, der seit immerhin acht Jahren in Betrieb ist, wo bisher nichts Derartiges entdeckt werden konnte.
Keine Vakuumblase und magnetische Monopole
Einer weiteren Befürchtung erteilen die Forscher ebenfalls eine Absage: Nämlich jenen Spekulationen, die behaupten, unser Universum befinde sich nicht in seinem stabilsten Zustand und Störungen durch das LHC könnten dieses in einen stabileren kippen lassen, dabei entstehe eine so genannte Vakuumblase, in der wir nicht leben könnten.

Und auch bei magnetischen Monopolen - ebenfalls hypothetische Teilchen, die eine magnetische Ladung tragen, also nur entweder einen magnetischen Nord- oder Südpol darstellen - winken die Studienautoren ab.

Generell haben die Forscher für die Hysterie rund um den LHC nicht viel übrig. In Milliarden von Jahren habe es in der Natur, auf der Erde bereits Millionen "reale" LHC Experimente gegeben und unser Planet existiert immer noch.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 24.06.08
->   Schwarzes Mini-Loch (Wikipedia)
->   Seltsame Materie (Wikipedia)
->   Magnetischer Monopol (Wikipedia)
->   Jonathan Ellis
->   European Organization for Nuclear Research (CERN)
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   CERN: Letzter LHC-Magnet wurde versenkt (27.4.07)
->   Teilchenbeschleuniger kälter als das Weltall (11.4.07)
->   CERN: Zeitplan für Teilchenbeschleuniger wackelt (6.4.07)
->   Beschleuniger soll nach Higgs-Teilchen suchen (15.11.05)
 
 
 
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01.01.2010