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Meteoritenkrater birgt 35 Mio. Jahre altes Salzwasser  
  Einen Durchmesser von fünf Kilometern hatte jener Meteorit, der vor 35 Millionen Jahren an der Ostküste der heutigen USA eingeschlagen ist. Damit war er knapp zu klein, um ein weltweites Artensterben auszulösen, seine Auswirkungen waren dennoch beeindruckend. Aktuelle Bohrkernanalysen eines Wiener Impactforschers zeigen unter anderem, dass sich im Gestein des Kraters Salzwasser befindet, das seit dem Einschlag unberührt geblieben ist.  
Außerdem wurden Granitblöcke mit einer Länge von bis zu einem Kilometer herumgewirbelt, berichten Christian Köberl von der Universität Wien und sein internationales Kollegenteam.
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Die Studie "Deep Drilling into the Chesapeake Bay Impact Structure" ist in "Science" (Bd. 320, S. 1740; 26.6.08) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Größter Krater der USA
 
Bild: The Virginian-Pilot

Künstlerische Darstellung des Einschlags

Der Chesapeake Bay Krater an der Ostküste der USA - rund 200 Kilometer südöstlich von Washington - ist mit einem Durchmesser von 85 Kilometern der größte bisher bekannte Einschlagskrater in den Vereinigten Staaten.

Die glasigen Auswurfsmaterialien, die sich nach dem Einschlag gebildet haben, sind noch in Tausenden Kilometern Entfernung nachgewiesen worden, erklärte Köberl gegenüber science.ORF.at.
An der Oberfläche nicht zu erkennen
An der Oberfläche ist der Chesapeake Bay Krater nicht zu erkennen, denn er ist vollständig mit jüngeren Gesteinen verfüllt und verdeckt. Er liegt heute zum Teil im Wasser und zum Teil am Land.

Erste Strukturen des Kraters wurden durch geophysikalische Messungen und Bohrungen erst Anfang der 1990er Jahre entdeckt. 2004 wurde ein großes internationales Projekt zu einer Tiefbohrung nahe des Zentrums des Kraters genehmigt.

2005/2006 hatte ein Forscherteam um Köberl Bohrkerne mit bis zu 1,8 Kilometern Gesamttiefe aus dem Krater geholt, die danach analysiert wurden - die erste Publikation erfolgte nun in "Science".
Sieht aus wie umgedrehter Sombrero
Der Chesapeake Bay Krater ist für das Verständnis von Impactkratern und deren Entstehung aus mehreren Gründen von großer Bedeutung.

Er entstand im flachen Kontinentalschelf bei nur wenigen hundert Metern Wassertiefe. Dadurch erhielt er eine sehr ungewöhnliche Form, die wie ein umgekehrter Sombrero aussieht.

Solche Strukturen gibt es bei Einschlagskratern ganz selten. Innerhalb des Zentralbereichs des Kraters (etwa 35 bis 40 km im Durchmesser) finden sich Brekzien - eckige, zerrüttete Gesteine verschiedener Herkunft, die beim Impact chaotisch zusammengemischt wurden.
35 Millionen altes Salzwasser
In einer dieser Brekzien in rund 500 Meter Tiefe wurde Salzwasser gefunden, das seit 35 Millionen Jahren unverändert geblieben ist. "Das ist sehr ungewöhnlich, normalerweise befindet sich hier Süßwasser", so Köberl.

Da in der Gegend des Kraters mehrere große Städte sind, in denen über zwei Millionen Menschen wohnen, ist diese Entdeckung für die Wasserversorgung der lokalen Bevölkerung von Interesse. Mit ihren Bohrkernen können die Forscher nun besser vorhersagen, wo nach Süßwasser gebohrt werden soll und wo besser nicht.
Gesteinsstücke aus dem Bohrkern
 
Bild: David S. Powars (U.S. Geological Survey)

Gesteinsstück, das bei dem Aufprall entstanden ist

Eine weitere unterwartete Entdeckung war ein riesiger Granitblock mit mehreren hundert Metern Stärke und vermutlich über einem Kilometer Länge, der als Brocken zwischen den Impactgesteinen sitzt.

Dieser Granitblock muss während des Einschlages innerhalb von Sekunden mindestens fünf Kilometer transportiert worden sein - ein Hinweis auf die enorme Energien, die bei solchen Einschlägen freiwerden.
Tsunami spülte Gesteinsmassen in die Tiefe
Unterhalb der Impactbrekzien wurden Gesteine gefunden, die ebenfalls mehrere Kilometer sowohl vertikal als auch radial transportiert wurden.

Unmittelbar nach dem Impact ist das Meer in Form gigantischer, Tsunami-artiger Flutwellen wieder in den Krater zurückgekehrt und hat dabei Material vom Kraterrand in die Kratertiefen gewaschen.

Die Spuren dieses gewaltigen Prozesses haben die Forscher nun in den Bohrkernen entdeckt.
Nach dem Einschlag noch Leben in 1,8 km Tiefe
Und schließlich haben biologische Untersuchungen an den Bohrkernen gezeigt, dass es nach dem Einschlag bestimmte Lebensformen sogar noch in den heißen Zonen des Kraters in 1,8 Kilometer Tiefe gab.

"Bestimmte und besonders hitzeresistente Bakterien haben bei 300 Grad Celsius unmittelbar nach dem Einschlag begonnen, den Krater zu rekolonialisieren", erklärte Köberl.

[science.ORF.at, 26.6.08]
->   Christian Köberl, Impactforscher der Universität Wien
->   Chesapeake Bay Impact Structure Deep Drilling Project
->   International Continental Scientific Drilling Program
->   science.ORF.at-Archiv zum Thema "Krater"
 
 
 
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01.01.2010