News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 
Alle 100 Jahre droht ein Asteroideneinschlag  
  Das Inferno kam ohne Vorwarnung: Vor hundert Jahren, am 30. Juni 1908, erhellte ein greller Blitz den Himmel über Sibirien. Eine gigantische Druckwelle raste durch die bewaldete Einöde und knickte Bäume wie Streichhölzer um. Erdbeben- und Luftdruckwellen liefen mehrfach um die Erde.  
Was war passiert? Ein vermutlich nur 20 Meter großer Steinmeteorit war in zehn bis 20 Kilometern Höhe über dem Fluss Steinige Tunguska in Ostsibirien explodiert. So lautet zumindest die Theorie, die heute als am plausibelsten angesehen wird. Die Explosion setzte nach heutigem Wissen die Sprengkraft von bis zu 1.000 Hiroshima-Bomben frei.
Wald sternförmig geknickt
 
Bild: Wikipedia

"Auf rund 2.000 Quadratkilometern war der Wald sternförmig umgeknickt", erläutert der Astrophysiker und Asteroidenexperte Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin. Das ist größer als London.

Der Ort des Ereignisses wurde erst nach 19 Jahren entdeckt, von einer Expedition 1927, von der auch obenstehende Aufnahme gemacht wurde.
...
Wilde Spekulationen
Der "Tunguska"-Vorfall bot nicht nur für zahlreiche Romane und Filme spannenden Stoff, sondern beschäftigte auch über Jahrzehnte die Wissenschaft. Für besonders viel Verwirrung sorgte die Tatsache, dass kein Krater zu finden war. Jahrzehntelang hielt sich daher die Theorie, dass wohl ein Komet mit besonders niedriger Dichte (drei Kilogramm pro Kubikmeter) explodiert sei. Auch Antimaterie-Meteoren standen im Verdacht, für die seltsamen Erscheinungen gesorgt zu haben. Russische Wissenschaftler haben aber laut Gerhard Neukum ziemlich zweifelsfrei geschlossen, dass es ein Steinmeteorit gewesen ist.
->   Ein Überblick über die Tunguska-Theorien (news@nature)
...
13. April 2029: Katastrophe abgesagt
Nach Berechnungen der US-Raumfahrtbehörde NASA ist ein solcher kosmischer Einschlag etwa alle hundert Jahre zu erwarten. Geschätzte 100.000 Tunguska-Objekte schwirren in der Nähe der Erdbahn durchs All.

Die nächste Katastrophe hatte bereits ein Datum: Ausgerechnet am Freitag den 13. sollte der 300-Meter-Brocken Apophis die Erde treffen. Für den Asteroiden, benannt nach dem altägyptischen Dämon des Chaos, ergab sich vorübergehend eine Einschlagwahrscheinlichkeit von immerhin 1 zu 37 am 13. April 2029.

"Ein solcher Treffer könnte ein ganzes Land von der Landkarte wischen", erläutert Asteroiden-Experte Neukum. Weitere Beobachtungen machten im Fall von Apophis allerdings schnell klar: 2029 bleibt die Erde noch einmal verschont.
Systematische Beobachtung durch die NASA
"Im Mittel wird alle 100 Jahre der Einschlag eines Stein- oder Eisenmeteoriten größer als etwa 50 Meter erwartet", hat die NASA berechnet. Ein systematisches Beobachtungsprogramm gibt es zurzeit nur bei der NASA. Das "Near Earth Object Program" hat bisher rund 1.000 potenziell gefährliche Erdbahnkreuzer aufgespürt.

Das NASA-Beobachtungsprogramm berechnet für alle bekannten Erdbahnkreuzer das Kollisionsrisiko. Ein konkreter Treffer ist zurzeit nicht vorausgesagt.
->   "Near Earth Object Program"
Gefährliche Objekte
 
Bild: dpa

Die zehn dichtesten Begegnungen mit Objekten von mehr als 50 Metern Größe in diesem Jahrhundert wurden vom "Near Earth Objects Program" der NASA herausgefiltert.
Andere Bedrohungen weit größer
"'Potenziell' bedeutet nicht, dass ein Objekt auf jeden Fall einschlagen wird", betonen die NASA-Forscher. Niemand solle sich daher übermäßig sorgen. "Die Bedrohung für den einzelnen durch Autounfälle, Krankheiten, andere Naturkatastrophen und eine Vielzahl weiterer Probleme ist weit größer als durch erdnahe Objekte."

Langfristig sei das Einschlagrisiko jedoch nicht vernachlässigbar und rechtfertige eine systematische Überwachung.
...
Sprengung tunlichst vermeiden
Mit ausreichender Vorwarnzeit könnte ein bedrohlicher Asteroid dann sogar soweit abgelenkt werden, dass er an der Erde vorbeifliegt. Dazu gibt es verschiedene Vorstellungen. Die in Hollywood-Filmen populäre Sprengung sollte jedoch tunlichst vermieden werden, wie die NASA betont. "Das schafft nur ein größeres Problem, wenn die ganzen Trümmer die Erde treffen."
...
Aus der Bahn bringen
Eine Wasserstoffbombe, oberhalb der Asteroidenoberfläche gezündet, könnte dagegen das Oberflächenmaterial auf einer Seite so weit aufheizen, dass es abplatzt und der Rückstoß den Asteroiden leicht aus seiner Bahn wirft. Je nach Vorwarnzeit und Bahn könnte es auch bereits genügen, eine stark reflektierende Folie auf einer Seite des Asteroiden zu montieren, wodurch er einseitig weniger Sonnenstrahlung schluckt, was wiederum zu einer leichten Bahnänderung führt.

Dass solche Missionen prinzipiell machbar sind, hat unter anderem die NASA-Sonde "Deep Impact" gezeigt, die vor drei Jahren zielgenau ein kühlschrankgroßes Kupfergeschoss in den Kometen Tempel 1 gejagt hatte.
->   "Deep Impact": Gemischte Bilanz der Kometenmission
Lichtpunkt am Firmament
Apophis wird sich der Erde nach jüngsten Berechnungen der NASA am 13. April 2029 immerhin auf knapp 30.000 Kilometer nähern. Das ist nur rund ein Zehntel der Distanz zum Mond und sogar weniger als der Abstand zahlreicher Fernseh-, Navigations- und Wettersatelliten.

Wegen der genauen Lage der Asteroidenbahn hält die NASA eine Kollision mit solchen geostationären Satelliten allerdings für ausgeschlossen. Bei klarem Himmel könnten Beobachter den Asteroiden jedoch mit bloßem Auge als Lichtpunkt über das Firmament huschen sehen.

[science.ORF.at/dpa, 27.6.08]
->   Gerhard Neukum
->   Mehr über "Tunguska" (Wikipedia)
Mehr über Asteroiden in science.ORF.at:
->   Auf der Suche nach gefährlichen Asteroiden
->   Asteroid "2007 TU24" raste an Erde vorbei
->   Ein Kunststoffband zur Erkundung von Asteroiden
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Kosmos 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010