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Forscher erstellen Netzwerkatlas des Hirns  
  Ein internationales Forscherteam hat einen ersten Entwurf zu einer Landkarte des Gehirns vorgestellt. Sie zeigt, wie die Hirnregionen miteinander verbunden sind - und wo die Zentren im Netzwerk "Hirn" liegen.  
10 Milliarden mal Tausend
Rund 10 Milliarden Neuronen sitzen innerhalb unseres Schädelknochens, sie sind bekanntlich nicht unabhängig voneinander, sondern durch Synapsen miteinander verbunden. Durchschnittlich finden sich pro Nervenzelle 1.000 solcher Kontaktstellen, bei manchen sind es sogar zehn Mal so viele. Das macht das Gehirn zu einem Netzwerk par excellence, insofern ist es erstaunlich, dass man - im Zeitalter der Netzwerke - erst jetzt beginnt, sämtliche internen Verbindungen im Gehirn systematisch zu kartographieren.

Das mag auch methodische Gründe haben: Welche Regionen im Gehirn wofür zuständig sind, haben Forscher zwar schon länger mittels Kernspintomografie untersucht. Aber der Blick ins Gehirn mit dieser Methode sagt mehr über die Aktivität einzelner Hirnbereiche aus als über deren Verbindungen untereinander.

Anders das relativ junge "Diffusion Spectrum Imaging". Mit dieser Technik kann man die Orientierung von Nervenfasern in kleinen Hirnbereichen feststellen. Setzt man die so ermittelten Bilder am Computer zusammen, erhält man eine digitale Landkarte unseres Denkorgans inklusive aller Netzwerkzentren und Erregungsbahnen. Die komplette Karte - im Englischen "Connectome" genannt - ist zwar noch nicht in unmittelbarer Reichweite, aber Olaf Sporns von der Indiana University hat nun einen wichtigen Schritt in diese Richtung gemacht.
Der Superknoten im Hirn
Bild: Indiana University
Das Neuronetzwerk im Überblick
Er und seine Mitarbeiter haben nun im Fachjournal "PLoS Biology" (Bd. 6, S. e159) eine Landkarte der Großhirnrinde vorgestellt, jener Region also, die für die höheren geistigen Leistungen zuständig ist. "Das ist einer der ersten Schritte zu einem Computermodell des Gehirns im großen Maßstab", sagt Sporns. "Damit wollen wir schwer beobachtbare Vorgänge, wie zum Beispiel neuronale Krankheiten und die Regeneration nach Verletzungen verstehen lernen."

Knoten im Netzwerk, sogenannte Hubs, fanden die Forscher um Sporns viele (Bild rechts), aber nur wenige Superknoten, bei denen ganz besonders viele Verbindungen zusammenlaufen: "Wir fanden, dass der Kern, der zentralste Teil des Gehirns, im hinteren medialen Cortex sowie im Parietallappen liegt. Das wusste man bisher nicht", erläutert Sporns. "Bisher hat man sich für diese Region aus ganz anderen Gründen interessiert: Wenn man beispielsweise ruht, dann verbraucht dieses Areal besonders viel Energie, aber man wusste nicht warum."
Anatomie beeinflusst Aktivität
Die Qualifizierung als Superknoten könnte ein ganz guter Erklärungsansatz für dieses Phänomen sein. Sporns und seine Kollegen verglichen ihre Netzwerkanalyse auch mit klassischen Hirnbildern, aus denen man die Funktionen der einzelnen Regionen herauslesen kann.

"Es stellte sich heraus, dass die beiden ziemlich stark zusammenhängen. Es gibt eine signifikante Korrelation zwischen der Anatomie und der Dynamik des Hirns. Das heißt: Wenn wir wissen, wie das Gehirn verknüpft ist, können wir auch vorhersagen, was es tut."

Robert Czepel, science.ORF.at, 1.7.08
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Literaturtipp
Olaf Sporns hat das Konnektom und den damit verbundenen Forschungsansatz bereits vor drei Jahren im Aufsatz "The Human Connectome: A Structural Description of the Human Brain" vorgestellt, erschienen in: "PLoS Computational Biology" (Bd. 1: e42).
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->   Olaf Sporns
 
 
 
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01.01.2010