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Physiker bauen Bohr'sches Atommodell nach  
  Das alte, anschauliche Atommodell des dänischen Physikers Niels Bohr ist genau genommen falsch. Aber es lässt sich offenbar dennoch im Experiment verwirklichen - in Form eines "Riesenatoms".  
Mini-Planetensystem
Nach dem von Bohr vor rund 100 Jahren entwickelten Modell sollten die negativ geladenen Elektronen um den positiv geladenen Kern kreisen, ganz ähnlich wie Planeten um die Sonne ihre Bahnen ziehen. Doch schon sehr bald wurde klar, dass das anschauliche Modell entscheidende Fehler hat.

"Kreist ein geladenes Teilchen wie das Elektron tatsächlich um den Kern, verbraucht es unweigerlich Energie und stürzt binnen kurzem in den Kern", erklärt Joachim Burgdörfer von der Technischen Universität Wien, der nun mit seinem Mitarbeiter Shuhei Yoshida das Bohr-Modell gewissermaßen nachgebaut hat.
Wellenmechanik: Korrekt, aber unanschaulich
Das Bohr-Modell wurde in der physikalischen Fachwelt rasch durch die wellenmechanische Beschreibung des Atoms durch den österreichischen Physiker Erwin Schrödinger (1887-1961) abgelöst.

Doch diese Beschreibung hat einen entscheidenden Schönheitsfehler: Das Modell ist ohne ein Mindestmaß an Formeln kaum nachvollziehbar und für den Nicht-Physiker auch nicht als Bild vorstellbar. Daher hielt sich das Bohr-Modell bis heute gleichsam als Krücke zum Verständnis und wurde zum Symbol für das Atom schlechthin.
Rydberg-Atom: Angeregt und aufgebläht
Laut Burgdörfer bereitet das Bohr-Atom den Physikern vor allem im sogenannten Grundzustand Schwierigkeiten. Dabei befinden sich die Elektronen auf ihrem niedrigsten Energieniveau. Führt man Energie zu, etwa in Form von Licht, werden Elektronen über Quantensprünge in höhere Niveaus gehoben, das Atom geht in einen angeregten Zustand über.

Für die Verwirklichung des Bohr-Modells haben Burgdörfer und Yoshida daher vorgeschlagen, das Elektron sehr stark anzuregen. Es wird mittels Laser bis zur Quantenzahl 300 gebracht. Würde man die Prozedur tatsächlich schrittweise von Energieniveau zu Energieniveau durchführen, entspräche das 300 Quantensprüngen.

Das Elektron entfernt sich dabei immer mehr vom Kern, das ganze Atom bläht sich in Dimensionen von hundertstel Millimeter auf - für atomare Verhältnisse riesige Dimensionen. Physiker sprechen dabei von sogenannten "Rydberg-Atomen".
Wie man aus einer Welle ein Teilchen macht
Als nächsten Schritt legten die Physiker zusätzlich zum Laser weitere Felder an: Ultrakurze Pulse sorgten dafür, dass sich das eigentlich als Welle vorliegende Elektron gleichsam zusammenstaucht. Tatsächlich funktioniert es dann wie ein kompaktes Teilchen, das um den Kern kreist - ganz entsprechend dem Bohr-Modell.

Nützlich für die Versuche wirkt sich der Umstand aus, dass das angeregte Atom auf den hohen Niveaus deutlich langsamer unterwegs ist, als etwa im Grundzustand. Dadurch werden die Effekte für die Wissenschaftler leichter messbar. Für Burgdörfer hat das Experiment nicht nur wissenschaftshistorische Bedeutung. Aus der Zusammenführung von Quantenmechanik und klassischer Physik könnten sich völlig neue Erkenntnisse ergeben. Die entsprechende Studie ist in den "Physical Review Letters" (Bd. 100, S. 243004) erschienen.

[science.ORF.at/APA, 8.7.08]
->   Joachim Burgdörfer
->   Rydberg-Zustand - Wikipedia
 
 
 
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01.01.2010