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Wissenschaft ist glücklich mit ihrem Journalismus  
  Wissenschaftler und Journalisten sind wie Hund und Katz', sagt das gemeine Vorurteil. Während die einen so exakt wie möglich sein wollen, geht es den anderen nur um die Schlagzeile, die die Wahrheit nicht so genau nimmt. Konflikte und Missverständnisse sind dieser Logik gemäß die Folgen. Zu einem ganz anderen Schluss kommt eine aktuelle Studie, die das Verhältnis von über 1.300 Biomedizinern zu den Medien untersucht hat. Ihr zufolge überwiegen die positiven Erfahrungen bei weitem - und der Elfenbeinturm scheint endgültig passé.  
Allzu große nationale Unterschiede gibt es laut der Studie ebenfalls keine. Die Resultate sind in den angelsächsischen Ländern, die als Hochburgen erfolgreichen Wissenschafts-Marketings gelten, annähernd gleich wie in Deutschland, berichtet das Team um den Kommunikationswissenschaftler Hans Peter Peters vom Forschungszentrum Jülich.

Und auch wenn Österreich nicht Bestandteil der Untersuchung war, dürfte die Situation auch hierzulande ähnlich sein, vermutet die Wissenschaftsforscherin Ulrike Felt von der Universität Wien.
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Der Artikel "Interactions with the Mass Media" von Peters et al ist in "Science" (Bd. 321, S. 204; 11.8.08) erschienen. Die gesamte Studie, die nicht nur die Ansichten der Wissenschaftler enthält, sondern sich auch mit Wissenschaftsorganisationen und ihren Pressestellen beschäftigt, liegt auf einem Server des FZ Jülich:
->   Die Gesamstudie (pdf-Datei)
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Medienkontakte nicht nur für Stars
 
Bild: EPA

Der wohl berühmteste Wissenschaftler der Gegenwart: Physiker und Medienstar Stephen Hawking

In der Studie wurden 1.354 Biowissenschaftler und -wissenschaftlerinnen in den klassischen Forschungsnationen USA, Japan, Deutschland, Frankreich und Großbritannien befragt. Es handelte sich um Epidemiologen und Stammzellforscher, die alle Veröffentlichungen in Journalen mit Peer-Review aufweisen konnten.

Die erste Überraschung für die Wissenschaftsforscher: Der Kontakt mit den Medien beschränkt sich nicht nur auf einige wenige "Stars", sondern ist stärker verbreitet als erwartet.

69 Prozent der Befragten gaben an, in den vergangen drei Jahren zumindest einen Medienkontakt gehabt zu haben. Bei rund 30 Prozent war dies sogar "bis zu fünf Mal" der Fall. Zwei Drittel sind schon von Journalisten interviewt worden, ein knappes Viertel war bereits Gast einer Radio- oder TV-Sendung.
Fast die Hälfte hat positive Erfahrungen
Von jenen mit Medienkontakten gaben 46 Prozent an, dass ihre Erfahrungen mit Medien im Lauf ihrer Karriere überwiegend positiv waren. Nur drei Prozent berichteten von vor allem negativen Erfahrungen. Rund je ein Viertel gab ausgewogene bzw. "völlig folgenlose" Erfahrungen an.

Ulrike Felt vom Institut für Wissenschaftsforschung der Uni Wien glaubt, dass bei einer entsprechenden Untersuchung in Österreich ähnliche Resultate herauskommen würden.

Prinzipiell zeigt sie sich von den Ergebnissen der Studie wenig überrascht: "In Österreich z.B. ist die Dichte der Wissenschaftsberichterstattung in den vergangenen zehn Jahren explodiert. Und auch wenn es bei uns sehr wohl Medienstars gibt, verteilt sich das gestiegene Interesse auch auf viele andere Wissenschaftler. Damit wird das Verhältnis zu den Journalisten auch gleich freundlicher", meinte Felt gegenüber science.ORF.at.
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Leitungsposition und Publikationen ziehen Medien an
Weitere Ergebnisse der Studie: Je höher die Forscher in der "Hackordnung" des Wissenschaftsbetriebs sind, desto wahrscheinlicher ist der Kontakt mit den Medien. Auch eine hohe Arbeitsproduktivität - sprich mehr Veröffentlichungen - erhöht die Chance, mit Journalisten Bekanntschaft zu machen.
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Wunsch: Akzeptanz gewinnen
Das stärkste Motiv für die Kooperation mit Journalisten ist für die Wissenschaftler laut der Studie von Peters der Wunsch, die Öffentlichkeit besser zu informieren, Akzeptanz für die Wissenschaft zu gewinnen und so eine "positivere Einstellung gegenüber Forschung" zu erzielen.

Auch die bessere Sichtbarkeit für Sponsoren und Drittmittelgeber wird von einer großen Mehrheit als Motiv angegeben.
Furcht vor unkorrekten Zitaten
Trotz des guten Verhältnisses der Wissenschaftler zu den Medien gibt es eine Reihe von Befürchtungen: Mit 91 Prozent ganz oben auf der Liste steht dabei die Angst vor "unkorrekten Zitaten", 84 Prozent fürchten die "Unberechenbarkeit der Journalisten" und 71 Prozent die "Möglichkeit negativer Öffentlichkeit".

Ob der Platz in den Medien innerhalb der Scientific Community schadet oder eher nützt, darüber sind sich die befragten Wissenschaftler uneins: 42 Prozent glauben das erstere, 39 Prozent das letztere.
Medienkontakte werden gefördert
Woher also kommt es, dass die Forschung ihren ehemals sprichwörtlichen Elfeinbeinturm verlassen hat? Dass dies ein Ausdruck "demokratischer Wissensgesellschaften" sei, wie dies Peters und sein Team in dem "Science"-Artikel schreiben, glaubt Ulrike Felt jedenfalls nicht.

Viel eher gehe es um Sichtbarmachung und Förderung eines innovationsfreundlichen Klimas, wie es ja auch das Ziel der - nationalen wie internationalen - Politik ist. "Es ist zurzeit sehr angesagt, positiv über Wissenschaft zu berichten, ich würde mir mehr kritische Beiträge wünschen."

Ein konkreter Ausdruck der gesteigerten Öffentlichkeitsliebe liege auch in den Wissensbilanzen, die alle Universitäten seit den jüngsten Reformen regelmäßig ziehen müssen. Darin beinhaltet sind auch Medienkontakte - "früher undenkbar", wie Felt betont.
Spannungslos, aber auch kein Spaß
Wenn sich also die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern und Journalisten in den vergangenen Jahren verbessert hat, soll uns letztere das freuen. Richtig Spaß scheint es den Wissenschaftlern aber noch nicht zu machen:

Nur 24 Prozent gaben in der Studie an, die "Interaktion mit den Journalisten genossen" zu haben.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 11.7.08
->   Hans Peter Peters
->   Ulrike Felt, Institut für Wissenschaftsforschung, Uni Wien
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01.01.2010