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Vor 400 Millionen Jahren: Die Anfänge des Sprechens  
  Um potenzielle Partner auf sich aufmerksam zu machen oder ihr Gebiet zu verteidigen, geben manche Fische laute brummende Geräusche von sich. Dazu verwenden sie - mangels eines anderen "Sprechapparats" - ihre Schwimmblase. Eine aktuelle Studie liefert Hinweise, dass die Gehirnmechanismen, die dieser Artikulation zugrunde liegen, jenen anderer Lebewesen, wie etwa Reptilien, Vögel oder auch Menschen gleichen. Demnach hätte die neuronale Basis jeglicher Lautäußerung einen gemeinsamen Ursprung.  
Laut dem US-amerikanischen Neurobiologen Andrew H.Bass und seinen Kollegen ist diese Grundlage vermutlich vor über 400 Millionen Jahren bei den Knochenfischen entstanden, welche die Vorläufer aller Wirbeltiere waren, lang bevor die ersten Lebewesen an Land gingen.
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Die Studie "Evolutionary Origins for Social Vocalization in a Vertebraten Hindbrain-Spinal Compartment" von Andrew H. Bass et al. ist in der aktuellen Ausgabe von "Science"(Bd.321, 18. Juli 2008, DOI: 10.1126/science.1157632) erschienen.
->   Studie
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Unterschiedliche Lautbildungsorgane
Erst wenn wir Menschen unsere Sprache gelernt haben, können wir miteinander reden. Aber schon vorher machen wir Geräusche oder schreien und kommunizieren so mit unserer Umwelt. Viele Tiere besitzen ähnliche angeborene Möglichkeiten, sich in irgendeiner Form zu artikulieren.

Erzeugt werden die Lautäußerungen allerdings mit verschiedenen Werkzeugen. Der Mensch und andere Säugetiere besitzen zu diesem Zweck die sogenannte Larynx, den Kehlkopf, dessen Stimmbänder durch Luft zum Vibrieren gebracht werden. Die Syrinx - das Lautbildungsorgan der Vögel - liegt etwas tiefer und verfügt über spezielle Membranen, mit welchen die Tiere ihre komplexen Gesänge produzieren.

Fische haben keine derartige Ausrüstung, also verwenden manche ihre mit Luft gefüllte Schwimmblase - eigentlich ein Gleichgewichtsorgan - zum "Reden". Der Muskel, welcher das Organ bewegt, gehört zu den schnellsten im Tierreich. Er kann bis zu 200 Mal in der Sekunde kontrahieren und steuert so die unterschiedlichen Lautäußerungen.
Drei Fischarten wurden untersucht
 
Bild: Margaret A. Marchaterre

Eine Nahaufnahme des untersuchten Froschfisches Opsanus beta.

Dass sich diese verschiedenen "Instrumente" der Artikulation unabhängig voneinander und artspezifisch entwickelt haben, ist mehr oder weniger sicher. Die neuronale Basis, so die Annahme der Forscher rund um Andrew Bass vom Department of Neurobiology and Behaviour der Cornell University, könnte aber einen gemeinsamen Ursprung haben.

Für ihre Studie untersuchten sie die für die Lautbildung zuständigen Nervenzellen im Gehirn von Larven dreier Arten von Froschfischen, den Batrachoididae: den Nördlichen Bootsmannfisch Porichthys notatus sowie den Krötenfischen Opsanus beta und Opsanus tau. Diese Fischgruppe zählt zu den Knochenfischen, die als Vorläufer aller Wirbeltiere gelten.
Bestimmte neuronale Regelkreise steuern Artikulation
 
Bild: Margaret A. Marchaterre

Frisch geschlüpfte Larven des Bootsmannfisches,10-14 Tage alt und 8-10 mm lang

Mit Hilfe bildgebender Verfahren beobachteten die Wissenschaftler, wie sich das Gehirn und die Nervenbahnen der heranwachsenden Larven entwickeln. Dabei fanden sie die für die Muskelbewegungen der Schwimmblase zuständigen Nervenzellen zwischen der Basis des sogenannten Rautenhirns und dem oberen Rückenmarkabschnitt der Fische.

Sie untersuchten auch die einzelnen Elemente des gesamten für die Vokalisation zuständigen Schaltkreises, wie etwa spezielle den Takt vorgebende Neuronen, die für das Tempo, den Rhythmus oder auch die Dauer der Äußerungen verantwortlich sind.
Gemeinsamer Ursprung aller Lautäußerungen
Das Muster der neuronalen Entwicklung und die Position im Gehirn sind laut den Forschern um Bass dem anderer lautbildender Wirbeltieren, wie Fröschen, Vögeln oder Säugetieren, sehr ähnlich, lediglich der Grad der Komplexität ist variabel. Dies sei ein deutlicher Hinweis darauf, dass die entsprechenden Gehirnregionen und -mechanismen einen gemeinsamen Ursprung in ferner Vergangenheit hätten.

Diese Entdeckung verankere außerdem die Entstehung der menschlichen Sprache und jedweder sozialen Kommunikation in der Evolution der Arten.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 18.07.08
->   Froschfische (Wikipedia)
->   Andrew H. Bass, Cornell University
Mehr dazu in science.ORF.at:
->   Geräuschpegel im Wasser beeinflusst Fischevolution (4.2.08)
->   Clownfische "sprechen" mit Zungenbein und Kiefer (18.5.07)
->   Wie die Fische das Meer eroberten (24.1.07)
->   Wale und Kühe besitzen "Sprachtalent"(23.8.06)
 
 
 
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01.01.2010