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Mit Tabak den Krebs besiegen  
  US-Forscher haben einen maßgeschneiderten Krebsimpfstoff hergestellt, der das Immunsystem gegen Tumorzellen "scharf" machen soll. Das Besondere daran: Der Impfstoff wurde aus Gentech-Pflanzen gewonnen. Erste klinische Versuche damit sind erfolgreich verlaufen.  
Unheilbare Krebsvariante
Jedes Jahr sterben rund sechs Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Kein Wunder also, dass das Nachtschattengewächs Nicotiana in medizinischer Hinsicht eine eher schlechte Nachrede hat. Ein Team um Ronald Levy von der Stanford University sorgt nun einmal zur Abwechslung für positive Schlagzeilen rund um die Tabakpflanze.

Die US-Forscher haben nämlich das Gewächs quasi zum Bioreaktor umfunktioniert, um ein Mittel gegen Krebs herzustellen. Konkret geht es um eine Entgleisung des Immunsystems, das sogenannte follikuläre B-Zell-Lymphom, an der allein in den USA jährlich rund 20.000 Menschen erkranken. Ab der Diagnose haben die Patienten im Durchschnitt noch acht bis zehn Jahre zu leben.

Bis dato gilt die Krankheit zwar als unheilbar, aber die Forschung schläft nicht. Nachdem die klassischen Behandlungsformen wie Chemo- und Strahlentherapie erstens zu schweren Nebenwirkungen führen und zweitens offenbar kaum vor Rückfällen schützen, sucht man schon seit längerem nach Alternativen.

Ein Ansatzpunkt könnte die Tatsache sein, dass es sich beim B-Zell-Lymphom um eine unkontrollierte Wucherung von Immunzellen handelt. Und zwar solcher, die im Normalfall an der Markierung von Viren, Bakterien und anderen Krankheitserregern beteiligt sind. Das tun sie mit Hilfe von Antikörpern, also speziellen Proteinen, die an ihrer Oberfläche sitzen.
Therapie mit Antikörpern
Das ist auch bei den Tumorzellen der Fall. Nachdem sie in der Regel von einer Urkrebszelle abstammen, sind ihre Antikörper völlig gleich - genau hier wollen Mediziner ansetzen: Ihr Ziel ist, das Immunsystem mit (künstlich vermehrten) Antikörpern zu stimulieren, auf dass es alle außer Kontrolle geratenen Zellen erkennt und sie im Idealfall auch zerstört.

"Das wäre eine Möglichkeit, Krebs ohne Nebenwirkungen zu behandeln", preist Ronald Levy die Vorteile der nun vorgestellten Methode. Sie stellt die entsprechenden Antikörper nicht - wie bisher üblich - in tierischen Zellen her, sondern in gentechnisch modifizierten Tabakpflanzen.

Ob der maßgeschneiderte Wirkstoff tatsächlich Krebs besiegt, muss freilich erst bewiesen werden. Bisher befinden sich die Forscher mit ihren Versuchen in der Phase I klinischer Erprobung, bei der üblicherweise Veträglichkeit und Sicherheit im Vordergrund stehen.
Erste Tests erfolgreich
Die ersten Ergebnisse sind dennoch durchaus ermutigend: 16 Patienten bekamen den Impfstoff gespritzt, die meisten von ihnen zeigten eine deutliche Immunantwort, Nebenwirkungen blieben aus, berichten die Forscher in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" (Bd. 105, S. 10131).

Die Herstellung des Impfstoffes mit pflanzlicher Hilfe geht nach Angaben der Forscher nicht nur schneller als die bisher übliche Methode, sie ist auch deutlich billiger. "Das ist eine ziemlich coole Technologie. Und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass wir Krebs mit Tabak behandeln", sagt Levy, der gerade die nächste Phase klinischer Tests plant. Falls sie erfolgreich verlaufen, steht der Tabakpflanze wohl ein echter Imagewechsel bevor.

Robert Czepel, science.ORF.at, 22.7.08
->   Ronald Levy
->   Lymphom - Wikipedia
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01.01.2010