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Antiker "Computer" gab auch Olympiaden an  
  Im Jahr 1900 wurde ein einzigartiger Apparat vor der griechischen Insel Antikythera aus dem Meer geborgen: eine antike Rechenmaschine, mit der man den astronomischen Kalender sowie Sonnen- und Mondfinsternisse berechnen konnte. Rechtzeitig vor Beginn der Olympischen Spiele in Peking berichten Forscher nun von einer weiteren Eigenschaft des "griechischen Ur-Computers": Durch ihn konnte man auch den Vier-Jahres-Zyklus der Olympiade ablesen.  
Der "Mechanismus von Antikythera" besteht aus mehr als 30 bronzenen Zahnrädern, die ursprünglich vermutlich in einen Holzkasten integriert waren.

Zahlreiche Experten haben sich seit der Entdeckung der Apparatur daran versucht, seine Funktion und Herkunft zu entschlüsseln.
Seit 100 Jahren ein beliebtes Forschungsprojekt
Bild: 2008 Tony Freeth
Modell der Frontzahnräder und -scheiben
mit einer Skala der Tierkreiszeichen.
Fest steht bisher, dass das Gerät als astronomischer Kalender genutzt wurde, mit dem sich die Position und Bewegung von Himmelskörpern berechnen ließen.

Im Jahr 2006 hatten Wissenschaftler dann Ergebnisse von Röntgenanalysen und computertomographischen Untersuchungen der Apparatur veröffentlicht ("Nature": Bd. 444, S. 587).

Sie entzifferten zahlreiche bisher verborgene Inschriften und konnten weitere Funktionen der Zahnräder zumindest teilweise entschlüsseln. Damals schon beiteiligt: Tony Freeth vom Antikythera Mechanism Research Project.

Nun machte sich ein Forscherteam um Freeth erneut an eine Interpretation des Zahnradmechanismus und der bisher entzifferten Inschriften.
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Die aktuelle Studie "Calendars with Olympiad display and eclipse prediction on the Antikythera Mechanism" ist wieder in "Nature" (Bd. 454, S. 614; 31.7.08) erschienen.
->   Abstract der Studie
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Das Hauptfragment - eines von 82
 
Bild: 2005 National Archaeological Museum/Antikythera Mechanism Research Project

Der "Mechanismus von Antikythera" besteht aus 82 Fragmenten. Das größte Fragment hat 27 Zahnräder (links das Original, rechts die Röntgenstrahl-Version der Forscher).

In der Mitte liegt das Hauptzahnrad mit vier Speichen, das das Sonnenrad darstellt.
Metonischer Kalender auf der Rückseite
Die Wissenschaftler konzentrierten sich vor allem auf die Skalenscheiben an der Rückseite des Geräts. Eine dieser Scheiben ist ein sogenannter metonischer Kalender, der 235 Mondmonate und damit ziemlich genau 19 Jahre umfasst.

In diesem Kalender haben 110 Monate eine Länge von 29 Tagen, die restlichen dauern 30 Tage.

Einige Jahre in dem 19-Jahres-Zyklus haben 13 Monate, wobei jedes Jahr mit dem ersten Neumond nach der Sonnenwende beginnt.
Korinthischer Ursprung
Die Wissenschaftler um Freeth konnten nun die Namen der zwölf Monate identifizieren. Sie stellten fest, dass diese Namen korinthischen Ursprungs sind.

Dies lasse vermuten, dass der Mechanismus aus dem antiken Korinth oder einer seiner Kolonien stammt. Bisher hatten Experten vermutet, dass die Apparatur in Rhodos gefertigt wurde.
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War Archimedes im Spiel?
Ein möglicher Entstehungsort für den antiken Rechner ist das sizilianische Syrakus, das damals eine korinthische Kolonie gewesen ist. Das führt auf eine naheliegende Spur: Archimedes, einer der bedeutendsten Mathematiker der Antike, lebte in Syrakus und starb dort 212 v. Chr. Eine direkte Verbindung des "Mechanismus von Antikythera" mit Archimedes sehen die Forscher nicht - das gehe sich zeitlich nicht aus, denn der Rechner wurde vermutlich 100-150 Jahre v. Chr. gebaut. Sie legen aber nahe, dass einer der geistigen Erben von Archimedes an der Konstruktion beteiligt gewesen ist.
->   Video des Antikythera-Mechanismus (Nature, sobald online)
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Anzeige der Olympiaden und anderer Spiele-Zyklen
 
Bild: Tony Freeth 2008

Modell der Scheibe mit dem Hinweis auf Olympia

Bei einer weiteren Scheibe auf der Rückseite handelt es sich der Neuuntersuchung zufolge vermutlich nicht wie bisher angenommen um einen 76 Jahre umfassenden kallippischen Zyklus - einen weiteren Kalender -, sondern um eine Darstellung des vierjährigen Olympia-Zyklus.

Die Scheibe wurde pro Jahr um eine Viertelumdrehung gedreht. So ließ sich abbilden, in welchem Jahr und Monat die nächsten Spiele stattfinden.

Auch weitere Zyklen der panhellenistischen Spiele konnten mit dem Apparat dargestellt werden, so die Nemeischen, Isthmischen und die Pythischen Spiele.
Identifizierung verborgener Buchstaben
 
Bild: Antikythera Mechanism Research Project 2008

Schließlich untersuchten die Forscher eine weitere Untereinheit, die den sogenannten Saros-Zyklus abbildet. Es war bereits bekannt, dass sich damit Sonnen- und Mondfinsternisse vorhersagen lassen.

Durch die Identifizierung bisher verborgener Buchstaben verfeinerten und erweiterten die Wissenschaftler nun die "Gebrauchsanweisung" für die Saros-Zyklus-Einheit.

Oben zu sehen: Bildzeichen aus dem Saros-Zyklus, die Hinweise auf die Finsternisse geben.

[science.ORF.at/APA/dpa, 30.7.08]
->   Antikythera Mechanism Research Project
->   Mechanismus von Antikythera - Wikipedia
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Antiker "Sternenkalender": Überraschend komplex
 
 
 
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01.01.2010