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US-Forscher: Mit Pille zu 44 Prozent mehr Leistung  
  Der Traum aller Sportverweigerer könnte mit einer Entwicklung von US-Forschern Wirklichkeit werden: Ihnen ist es gelungen, eine chemische Substanz zu entwickeln, die den körperlichen Effekt von Training imitiert. Das Mittel, das in Pillenform genommen werden kann, steigert die Ausdauer, kurbelt die Fettverbrennung an und verbessert die Blutwerte - und das ganz ohne Keuchen und Schwitzen.  
Die Forscher haben eigentlich zwei Substanzen entwickelt, die auf zellulärer Ebene den Sporteffekt hervorrufen. In Mäuseversuchen konnten sie zeigen, dass die eine mit dem unspektakulären Namen GW1516 die Leistungsfähigkeit um 68 Prozent steigerte - allerdings nur in Verbindung mit moderatem Training. Die andere (AICAR) wirkt ohne Bewegung, ihr Effekt ist aber mit plus 44 Prozent etwas geringer.
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Die Studie "AMPK and PPARa Agonists Are Exercise Mimetics" erscheint in der August-Ausgabe von "Cell" (Band 134, S. 1-11, DOI 10.1016/j.cell.2008.06.051).
->   Cell
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Fettverbrennung ohne Bewegung
Schon seit Jahren interessieren sich die Wissenschaftler um den Molekularbiologen Ronald Evans vom Howard Hughes Medical Institute für das Phänomen der körperlichen Fitness und die damit verbundenen gesundheitsfördernden Effekte.

2004 schufen sie genmodifizierte Mäuse, die eine veränderte Muskelzusammensetzung aufwiesen und doppelt so weit laufen konnten wie ihre unveränderten Artgenossen. Erreicht wurde dieser Effekt durch die Veränderung eines Gens mit Namen PPAR-delta, das wiederum eine Reihe weiterer Gene reguliert.

Wurde PPAR-delta zu vermehrter Aktivität angeregt, begannen die Muskelzellen, Fett zu verbrennen, ohne dass die Mäuse sich stärker bewegten.
"Fitnesspille" zuerst ohne Wirkung
Die Sache mit der Genmodifikation hatte allerdings zwei Haken: Erstens war PPAR-delta bei den Tieren bereits im Embryostadium - also zum Zeitpunkt der Muskelentwicklung - verändert. Und zweitens ließe sich dieser Eingriff wohl kaum am Menschen durchführen.

Also suchten die Forscher nach einer einfacheren Methode, um das "Fitnessgen" zu aktivieren. Sie entwickelten eine Substanz mit Namen GW1516, die schon länger unter Verdacht stand, mit PPAR-delta zu interagieren.

Vier Wochen lang verabreichten sie es Mäusen, um dann ihre Fitness zu testen. "Sie zeigten keine verbesserte Fitness, nicht einen Prozentpunkt", schildert Evans.
Moderates Training: 68 Prozent mehr Leistung
 
Bild: Salk Institute for Biological Studies

Also wählten die Forscher einen aus dem Leben gegriffenen alternativen Ansatz: Wenn man fit werden will, muss man zumindest moderat trainieren - also mussten die Mäuse fünfmal die Woche für 30 Minuten ins Laufrad.

Der Ergebnis: Nach vier Wochen waren jene, die auch GW1516 verabreicht bekamen, zu wahren Marathonläufern mutiert. Ihre Ausdauer war um 68 Prozent höher als jene der pillenlosen Artgenossen, die Blutwerte dramatisch besser.

Der Schlüssel war offensichtlich ein Enzym namens AMP-Kinase, das bei Bewegung entsteht. Hier konnte GM1516 andocken und die körperliche Fitness in lichte Höhen treiben.
->   Mehr zur AMP-Kinase
"Pharmakologisches Training"
Die nächste Frage war nur eine logische Folge aus dieser Entdeckung: Reicht es, die Aktivität von AMP-Kinase chemisch anzuregen, um den Muskeln körperliches Training vorzugaukeln? Die Forscher entwickelten eine Substanz namens AICAR, die genau dieses Täuschungsmanöver auszuführen vermochte.

Nach vier Wochen Einnahme mussten die dieses Mal völlig untrainierten Mäuse wieder ins Laufrad - und zeigten 44 Prozent mehr Ausdauer als ihre Artgenossen, die kein AICAR eingenommen hatten, weshalb Evans die Substanz als "pharmakologisches Training" bezeichnet.
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Therapeutische Anwendung
Beide Substanzen, GW1516 und AICAR, steigerten nicht nur die Ausdauer, sondern verbesserten auch die Durchblutung und veränderten den Metabolismus. Die Entdeckung könnte nicht nur Menschen helfen, die zu wenig trainieren, gesundheitlich davon zu profitieren. Auch bei Krankheiten, die Bewegung kaum oder nicht möglich machen, könnte mit den Pillen Muskelaktivität simuliert werden.
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Dem Dopingmissbrauch wurde vorgebeugt
Aber auch auf das Interesse von Profisportlern, die mit den Substanzen ihre Leistungsfähigkeit steigern wollen, sind Evans und seine Kollegen vorbereitet: Für beide Mittel, das synthetisch einfach herzustellende GW1516 und AICAR, haben sie hochsensible Tests entwickelt, die die Medikamente und ihre Nebenprodukte in Harn und Blut nachweisen können.

Und sie kooperieren mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), um ihr Nachweissystem zertifizieren zu lassen, damit sogar die heurigen Olympiaathleten noch rückwirkend auf die "Fitnesspillen" getestet werden können.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 31.7.08
->   Ronald Evans
->   Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA)
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01.01.2010