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Volkswirt sagt Medaillenspiegel für Peking voraus  
  In einer Woche beginnen die Olympischen Sommerspiele von Peking. Wie in der Vergangenheit stellen Forscher auch heuer Prognosen auf, welche Nation die meisten Medaillen gewinnen wird. Der Volkswirt Wolfgang Maennig von der Universität Hamburg hat das unter Berücksichtigung neuer Einflussfaktoren nun für Peking getan.  
Er prophezeit: Die USA werden mit 95 die meisten Medaillen gewinnen, China seine hochgesteckten Ziele nicht erreichen und Österreich immerhin acht Mal am "Stockerl" stehen.
Olympiasieger und Ökonom
Wolfgang Maennig hat selbst zum Medaillenspiegel bei Olympischen Spielen beigetragen. 1988 gewann er in Seoul im Rudern für Deutschland eine Goldmedaille. Heute ist er Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und beschäftigt sich mit dem Sport vor allem aus Sicht der Wissenschaft.

Neben der Wirtschaftlichkeit von Sportveranstaltungen hat Wolfgang Maennig auch die Frage untersucht, ob man den Erfolg von Nationen bei Olympischen Spielen vorhersagen kann. Man kann, ist der Volkswirt überzeugt.
Soziale und wirtschaftliche Parameter
Bild: EPA
Wang Yipeng und die Goldmedaille für Peking, die er designt hat.
Grundlage für seine Berechnungen sind soziale und wirtschaftliche Parameter. Etwa das Bruttosozialprodukt oder die Bevölkerungsgröße eines Landes.

Diese Parameter müssen stabil sein. D.h. sie müssen in der Vergangenheit aussagekräftig gewesen sein, damit sie die Zukunft vorhersagbar machen.

Zwischen diesen Faktoren und der Anzahl der Medaillen besteht ein Wirkungszusammenhang, erklärt Wolfgang Maennig gegenüber science.ORF.at: "Die stabilen Parameter zeigen beispielsweise, wie stark die Höhe des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf auf die Zahl der Medaillen wirkt."
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Die entsprechende Studie "Sozio-ökonomische Schätzungen Olympischer Medaillengewinne: Analyse-, Prognose- und Benchmarkmöglichkeiten" von Wolfgang Maennig und Christian-Mathias Wellbrock ist auf der Website der Universität Hamburg erschienen.
->   Die Studie (pdf-Datei)
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Zukünftiger Heimvorteil bringt mehr Medaillen
Neben klassischen Faktoren wie Wirtschaftsleistung und Landesgröße beinhalten die Schätzmodelle von Maennig eine Reihe anderer Größen. Etwa den Heimvorteil, der gleich ein paar Prozent mehr Medaillen bringt.

Erstmals in ein Prognosemodell integriert hat Maennig auch den zukünftigen Heimvorteil. D.h. auch jenes Land, das in vier Jahren die Olympischen Spiele veranstalten wird, darf schon heuer auf mehr Gold, Silber und Bronze hoffen. Konkret ist das diesmal Großbritannien, denn in London finden die nächsten Sommerspiele statt.
Emanzipation ebenfalls medaillenfördernd
Weitere Parameter sind das Klima und das Wirtschaftssystem: "Ex-kommunistische Länder profitieren zum Teil noch aus den alten Zeiten. Die Frage der Zentralität spielt eine Rolle, zentral organisierte Staaten können unter Umständen auch den Spitzensport etwas straffer organisieren als dezentral organisierte Länder."

Ebenfalls eine Rolle bei den Medaillenprognosen spielt die Frauenbeteiligung in der Gesellschaft. Länder, in denen Frauen wenig gleichberechtigt sind, gewinnen bei Olympischen Spielen auch weniger Medaillen.
Seit 1992 stabile Parameter
Wolfgang Maennig hat sich die Einflussfaktoren seit den Olympischen Spielen 1964 angesehen. Richtig stabil und damit aussagekräftig sind sie aber erst seit sechzehn Jahren. Auf der Grundlage der vergangenen vier Sommerspiele hat der Volkswirt deshalb nun seine Prognose für Peking gemacht. Und die fällt aus seiner Sicht überraschend aus.

"Wir sind zum Ergebnis gekommen, dass die erfolgreichste Nation noch immer die Amerikaner sein werden, vor den Russen und den Chinesen".
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Grafik: science.ORF.at/LW
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China verpasst den Spitzenplatz
Diese Prognose hält Maennig durchaus für überraschend. Der Grund: Die Verantwortlichen in China haben bis vor kurzem die Devise ausgegeben, deutlich mehr Medaillen zu gewinnen. Unter dem Titel "Projekt 119" sollte gezielt darauf hingearbeitet werden, in jenen Sportarten mit den meisten Medaillen (v.a. Leichtathletik und Schwimmen) gute Athleten und Athletinnen zu entwickeln.

Auch wenn dies mittlerweile nicht mehr die offizielle Linie ist, erwartet die chinesische Öffentlichkeit doch mehr als Platz Drei in der inoffiziellen Wertung der Nationen.
->   "Projekt 119": Interview mit chin. Sportpolitiker Cui Dalin (Newsweek)
Abgerechnet wird in drei Wochen
 
Bild: EPA

Um diese drei Medaillen geht es: Gold, Silber und Bronze von Peking

Wegen dieses Drucks und der damit verbundenen Anstrengungen ist sich Wolfgang Maennig nicht sicher, ob seine Prognosen halten werden.

Alleine in seiner ehemaligen Domäne, im Rudersport, waren die chinesischen Athleten heuer bei vorolympischen Bewerben erfolgreicher als gedacht. "Ich bin ein wenig skeptisch geworden über die Qualität meiner Prognosen zu China, wonach sie nicht die erfolgreichste Nation werden. Alleine beim Rudern werden sie schon zehn gewinnen, wie es aussieht."

Zehn Medaillen für China im Rudern: Das wäre schon mehr als Österreich insgesamt an Medaillen gewinnen sollte. Wolfgang Maennig prognostiziert acht rot-weiß-rote Stockerlplätze. Ob er recht hat, werden wir in drei Wochen wissen, wenn die Olympischen Spiele von Peking beendet sind.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at, 1.8.08
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Einen Beitrag über die Studie zur Medaillenprognose zu hören gibt es im Ö1 Dimensionen Magazin am Freitag, 1. August, 19.05 Uhr.
->   Ö1 Dimensionen Magazin
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->   Wolfgang Maennig, Universität Hamburg
->   China: Neue wissenschaftliche Weltmacht?
->   Wettermacher: Olympia-Eröffnung ohne Regen
 
 
 
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01.01.2010