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Wenn hüpfende Punkte Geräusche produzieren  
  Forscher haben eine neue Form der Verschränkung von Sinneswahrnehmungen entdeckt: Manche Menschen hören Geräusche, wenn sie tonlose Bewegungen beobachten. Ein Prozent der Bevölkerung könnte von dieser Synästhesie betroffen sein.  
Für die Betroffenen sei es ganz normal, dass etwa der Flügelschlag eines Schmetterlings oder eine Animation am Computer mit Geräuschen verbunden sind. Sie gehen "mit einem ausgebauten Soundtrack durch das Leben", meinen Melissa Saenz und Christof Koch vom Caltech Institute of Technology in Pasadena (Kalifornien) in einer Aussendung.
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Die Studie "The sound of change: visually-induced auditory synesthesia" ist am 5. August 2008 in "Current Biology" erschienen (Band 18, R650-R651).
->   Zum Abstract
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Zufallsentdeckung
Dass manche Menschen tonlose Bewegungen mit "Begleitmusik" wahrnehmen, haben die Forscher durch einen Zufall entdeckt: "Ich hatte gerade ein Experiment laufen, als eine Gruppe von Studenten an meinem Labor vorbeikam", erzählt die Neurowissenschaftlerin Melissa Saenz.

Teil des Versuchs war eine Computeranimation, bei der sich Punkte an Bildschirm bewegten. Plötzlich fragte einer der Studenten: "Hört ihr etwas, wenn ihr auf den Bildschirm schaut?"

Saenz unterhielt sich noch länger mit dem Studenten und konnte alle Anzeichen von Synästhesie festmachen: eine automatische Querverbindung in seiner Sinneswahrnehmung, die ihn schon sein ganzes Leben begleitet.
->   Zur Computer-Animation
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Wenn Töne bitter schmecken
In der Forschungsliteratur wurde bereits von verschiedenen Formen der Synästhesie berichtet: dass Töne und Farben einen bestimmten Geschmack, auch dass Buchstaben bestimmte Farben haben. Von der Verbindung zwischen Bewegung und Ton war bisher nichts bekannt.
->   Synesthesia Research Page
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Erfolgreiche Suche nach weiteren Betroffenen
Von der Begegnung mit dem Studenten beeindruckt, suchte Saenz nach weiteren Betroffenen - mit Erfolg. Wurden sie konkret mit der Computeranimation konfrontiert, bestätigten weitere drei Personen, dass sie Töne wahrnehmen würden - "wie könnten sie auch nicht Geräusche machen", wurde die Forscherin einmal gefragt.

Für Menschen mit dieser Form der Synästhesie sei es wohl das Normalste auf der Welt, dass Bewegungen mit Geräuschen verbunden sind, erklärt Saenz. So wie Bienen summen, produziert eben auch der Flügelschlag eines Schmetterlings einen bestimmten Ton. Und der Fernseher macht trotz abgedrehtem Ton Geräusche.
Überreizung des Gehirns?
Saenz und Koch nehmen an, dass ein Prozent der Bevölkerung über diese auditive Synästhesie verfügt. Als Grund vermuten sie eine Überreizung des Gehirns: Wird ein visueller Eindruck verarbeitet, läuft er auch über jenen Teil des Gehirnrinde, die für die Erzeugung von Tönen zuständig ist. Bei den meisten Menschen bleiben tonlose Sinnesreize tonlos.

Bei jenen Menschen, die springende Punkte mit Geräuschkulisse wahrnehmen, wird ein künstlicher Ton erzeugt. Der physiologische Grund, ob etwa bestimmte Gehirnareale bei den Synästhetikern stärker verknüpft sind, soll in künftigen Experimenten erforscht werden.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 18.8.08
->   Melissa Saenz
->   Christof Koch
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01.01.2010