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Sieger und Verlierer sehen überall gleich aus  
  Bei den Olympischen Spielen sieht man es mehrmals täglich: Im Augenblick des Triumphes reißt der Sieger seine Arme hoch und streckt seine Brust heraus. Der Verlierer hingegen lässt die Schultern hängen und senkt sein Haupt. Einer aktuellen Studie zufolge handelt es sich dabei nicht um kulturell geprägte, sondern um angeborene Ausdrucksweisen.  
Bei der Analyse von Fotos der Olympischen und Paraolympischen Spiele 2004 haben US-amerikanischen Psychologen nämlich festgestellt, dass auch jene Athleten, die von Geburt an blind sind, zum Ausdruck von Sieg oder Niederlage dieselben Gesten verwenden.
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Die Studie "The spontaneous expression of pride and shame: Evidence for biologically innate nonverbal displays" von Jessica L. Tracy und David Matsumoto erscheint zwischen 12. und 15. August in den "Proceedings of the National Academy of Science" (DOI: 10.1073/pnas.0802686105).
->   Studie
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Angeborene emotionale Ausdrücke
Generell geht man von einer begrenzten Anzahl angeborener Emotionen aus, die der Mensch und manche verwandte Primatenarten besitzen, beispielsweise Angst oder Freude. Diese werden durch bestimmte nonverbale Signale ausgedrückt, die ihre kommunikative Bedeutung im Lauf der Evolution erhalten haben.

Stolz und Scham werden üblicherweise nicht dazu gezählt. Dabei spricht laut der Studienautorin Jessica L.Tracy vom Department of Psychology der University of British Columbia einiges dafür, dass auch diese einen Teil unseres angeborenen Ausdrucksrepertoires bilden.

Unter anderem sei der Ausdruck von Stolz eine wichtige biologische Reaktion, welche unsere Position im Sozialgefüge signalisiert. Die platzgreifende Körperhaltung lasse einen größer erscheinen und drücke so Dominanz aus.

Außerdem könnten bereits Vierjährige die entsprechende Gestik richtig interpretieren und man kennt sie auch aus einfachen, isoliert lebenden und traditionellen Gesellschaften.
Vergleich von blinden und sehenden Sportlern
Um ihre Hypothese zu überprüfen, analysierten die Psychologin und ihr Team, wie Stolz und Scham in unterschiedlichen Kulturen ausgedrückt werden. Dafür verglichen sie die nonverbalen Ausdrücke und die Körpersprache von sehenden und blinden Judokern aus 37 Nationen.

Die Idee dahinter: Menschen, die von Geburt an blind sind, können den Ausdruck bestimmter Gefühle nicht beim Zusehen lernen. Das heißt, ihre Gesichtsausdrücke oder körperlichen Gesten sind spontan und angeboren.
Sieger sehen überall gleich aus
Die Sportler wurden während und nach jedem Match wiederholt fotografiert, sodass die Forscher eine Serie von Momentaufnahmen der individuellen Reaktion erhielten. So konnten sie die Position der Arme, des Kopfes und des gesamten Körpers genau vergleichen.

Dabei stellten sie fest, dass Gewinner aus allen Kulturen, egal ob blind oder sehend, ihre Arme in die Höhe strecken, den Kopf heben und den Brustkorb rausstrecken. Auch der Ausdruck von Niederlagen war laut Tracy und ihrem Team weitgehend ähnlich, wie etwa hängende Schultern oder gesenkte Köpfe.
Ausdruck von Scham kulturell beeinflusst
In einem weiteren Schritt untersuchten die Wissenschaftler die Bilder in Hinblick auf kulturelle Unterschiede, indem sie sie nach unterschiedlichen Gesellschaftstypen gruppierten.

Dabei zeigte sich, dass Scham von Menschen aus eher individualistisch orientierten Kulturen, wie etwa aus den Vereinigten Staaten oder Westeuropa, weniger stark gezeigt wird - mit Ausnahme der von Geburt an blinden Sportler. Laut den Forschern deutet das darauf hin, dass es der westlichen Norm wohl eher entspricht, Scham zu verstecken.

Laut Tracy belegen die Ergebnisse der Studie, dass der Ausdruck von Stolz und Scham einen wichtigen evolutionären Mechanismus darstellt, der den individuellen sozialen Status aufwerten oder vermindern kann.

Eva Obermüller, science.ORF.at, 12.8.08
->   Jessica L. Tracy
->   UBC Department of Psychology
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->   Grammatik der Gebärden ist universal (1.7.08)
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01.01.2010