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Signale aus der Petrischale steuern Roboter  
  Roboter durch in der Petrischale kultivierte Gehirnzellen steuern zu lassen, fasziniert Forscher nicht nur wegen des Science-Fiction-Schauers, den die Verbindung von lebenden Zellen und Maschinen erzeugt. Die Funktion von Neuronen anhand einfacher Konstrukte zu erkunden, soll auch das Verständnis für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer vergrößern.  
Die artifiziellen Systeme, bestehend aus einem Netz aus Nervenzellen und einem radgetriebenen Roboter, sind zwar meilenweit von der Komplexität des Gehirns entfernt. Aber allein die Möglichkeit, die Kommunikation zwischen Neuronen, Maschine und retour zu beobachten, lässt mehrere Forschergruppen an solchen Konstrukten arbeiten.
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Von den "Rat-brained robots" berichtet der "New Scientist" in seiner Ausgabe vom 16. August 2008.
->   "New Scientist"
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300.000 Gehirnzellen und 80 Elektroden
Die Grundausstattung für ein "Animat", so der Ausdruck für die künstliche Verbindung zwischen lebenden Zellen und Maschine, klingt einfach: 300.000 Gehirnzellen von Ratten verwenden etwa die Forscher um Mark Hammond von der Universität Reading in Großbritannien.

Die Zellen sind durch zahlreiche Axone und Dendriten verbunden und kommunizieren durch elektrische Impulse. Das weiß man, weil 80 Elektroden die elektrischen Aktivitäten messen.
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Wie das "Gehirn" erzeugt wird
Um das "Gehirn" zu erschaffen, entfernen die Forscher einem Rattenfötus die Gehirnrinde. Auf sie werden spezielle Enzyme aufgebracht, die die bereits ausgebildeten Verbindungen zwischen Nervenzellen zerstören. Dann kommen die Neuronen in eine Schale mit einer nährstoffreichen Lösung. Dort beginnen sie, sich wieder miteinander zu verbinden. Nach fünf Tagen kann man elektrische Aktivität nachweisen: Die Neuronen schicken rein zufällig Signale in das neu aufgebaute Netz.
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Feuern aus purer Langeweile
Wie eine Kreatur ohne Gliedmaßen und Sinne, feuern die Zellen sozusagen aus purer Langeweile - das Aktivitätsmuster entsteht rein zufällig und hat keine Bedeutung.

Die Herausforderung für die zahlreichen Forscherteams, die an "Animats" arbeiten, besteht nun darin, durch gezielte Impulse die Neuronen zu Aktivität anzuregen, die in weiterer Folge einen verbundenen Roboter zu einer gesteuerten Bewegung veranlasst.
Neuronen feuern - aber welche Bedeutung?
Das ist komplizierter als es klingt: Dimitris Xydas und Julia Downes von der Universität Reading haben es geschafft, die Zellkultur mit einem Sensor zu verbinden, der einen rollenden Roboter steuern kann. Wichtig sei es nun, das Feuern der Neuronen in zielgerichtete Signale übersetzen zu können, schildern die Forscher im "New Scientist".

Meldet der Sensor etwa, dass der Roboter auf eine Wand zurollt, und diese Information lässt immer die gleichen Neuronen feuern, könnte man das als Signal für eine Ausweichbewegung interpretieren. Den Forschern ist es gelungen, die Zellkultur mit dem Roboter so zu verbinden, dass diese Art der Signalweitergabe funktioniert - und der Roboter in 80 Prozent der Fälle einem Hindernis ausweicht.
Kommunikationswege im Gehirn
Der ernste Hintergrund dieser scheinbaren Spielerei: Die Wissenschaftler wollen mehr über die Kommunikationswege im Gehirn herausfinden, um bei Krankheiten, die zum Abbau von Nervenzellen führen, genauer therapieren zu können - etwa indem Signalwege "umgeleitet" oder die Aktivität von Neuronen durch gezielte Reizung wieder angekurbelt wird.
Gehirn-ähnliches Modell
Auch wenn die Forscher von ihrer Arbeit fasziniert sind, schätzen sie auch ihre Grenzen realistisch ein: "Das System ist ein Modell, alles, was zwischen Nervenkultur und Roboter passiert, ist unserem Gehirn nur ähnlich, aber bei weitem nicht das Gleiche", sagt etwa der Neurobiologe Steve Potter vom Georgia Institute of Technology im "New Scientist".

Sein Kollege Kevin Warwick fügt aber hinzu: "Wenn unsere Arbeit das Leben eines Alzheimer-Patienten nur um ein Prozent verbessert, ist es den Aufwand wert."

[science.ORF.at, 14.8.08]
->   Fachbereich Cybernetics (University of Reading)
->   Kevin Warwick
->   Steve Potter
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->   Affenhirn steuert Roboter fern
->   Roboter lernt bergauf zu gehen
->   Roboter lernen zu fühlen
 
 
 
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01.01.2010