News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 
Neu entdeckte Bilder zum Ende des "Prager Frühlings"  
  Vor 40 Jahren, in der Nacht zum 21. August 1968, marschierten Truppen des von der Sowjetunion dominierten Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei ein und beendeten den "Prager Frühling". Was das für die Menschen in den Panzern und auf den Straßen bedeutete, hat der österreichische Bildreporter Heinz Hosch festgehalten, dessen Bilder nun erstmals der Öffentlichkeit präsentiert werden.  
Auf rund 450 Fotos sammelte er Eindrücke auf den Straßen von Prag, wo Menschen entsetzt waren über die Invasion und Panzerfahrer erstaunt, wohin sie ihr Oberbefehlshaber geschickt hat. Die unentwickelten Bilder von Heinz Hosch wurden kürzlich von seinem Sohn im Nachlass entdeckt.
Faust gegen Panzer
 
Bild: Heinz Hosch

Als der "Prager Frühling", jenes Reformexperiment, das in der CSSR ein bisschen mehr Demokratie und ein bisschen weniger Kontrolle versprochen hatte, im August 1968 gewaltsam beendet wurde, war Heinz Hosch im Auftrag der Tageszeitung "Die Presse" bereits vor Ort.

Im Unterschied zu den bisher bekannten Fotos der rollenden Panzer in Prag und anderen tschechoslowakischen Städten zeichnen sich Hosch' Bilder durch die Nähe zu den Menschen aus, betont Paul Divjak im Gespräch mit science.ORF.at. Divjak hat gemeinsam mit Rainer Hosch das fotografische Vermächtnis des Bildreporters aufgearbeitet.

Bild oben: Die geballte Faust als Symbol des letztlich zwecklosen Widerstands
Das große Erstaunen
 
Bild: Heinz Hosch

"Die Fotos sind konzentriert auf die Gesichter, zumeist auf die russischen Gesichter. In diesem Sinn ist das sehr wertvoll, weil es die Lage revitalisiert", kommentiert der ehemalige tschechische Dissident und heutige Direktor der Diplomatischen Akademie in Wien, Jirí Grusa, die Fotos von Hosch. Divjak hat Grusa für eine Sonderbeilage der "Wiener Zeitung" interviewt, in der zum 40. Jahrestag der Invasion einige Bilder präsentiert werden.

"Man sieht die unerwartete Tücke der Invasion", so Grusa weiter: "Die Soldaten sehen, dass sie etwas gemacht haben, das nicht richtig war. Das darf in keiner Armee passieren."

Bild oben: Ein junger russischer Soldat schaut überrascht und ratlos aus seinem Panzer.
Nach Moskau? 1.800 Kilometer in diese Richtung
 
Bild: Heinz Hosch

Wenn etwas von der Invasion der Warschauer-Pakt-Truppen in der Tschechoslowakei im kollektiven Gedächtnis "des Westens" gespeichert wurde, dann war es wohl der gewaltlose, oft witzige, auf zivilen Ungehorsam konzentrierte Widerstand der Bevölkerung.

Auch diese Seite der Tage nach dem 21. August 1968 hat Hosch dokumentiert, etwa in dem Bild oben: Auf einen alten Waggon wurde ein Wegweiser mit dem Hinweis "Moskau 1.800 Kilometer" und dem Zusatz "Haut ab!" gemalt.
...
Ausstellung zu den Fotos von Heinz Hosch
Die Arbeiten von Heinz Hosch werden ab 7. November 2008 einen Monat lang im Österreichischen Museum für Volkskunde gezeigt. Ausstellungskuratoren Paul Divjak und Matthias Beitl zeigen nicht nur die Bilder, sie befragen sie auf ihre medienhistorische Bedeutung und betten sie ein in Erzählungen von Exil-Tschechinnen und -Tschechen.
->   Mehr zur Ausstellung
...
Ein Olympiasieger auf Seiten des Widerstands
 
Bild: Heinz Hosch

Emil Zátopek, der weitberühmte Leichtathlet, mehrfache Olympiasieger und Weltrekordhalter, verbündete sich mit dem Widerstand gegen die Invasoren. In seiner tschechoslowakischen Armeeuniform kletterte er auf einen Panzer und appelierte an die Soldaten, wieder nach Hause zurückzukehren.

Heinz Hosch' Nachlass liefert die ersten Bildbelege dafür, dass diese Episode tatsächlich so stattgefunden hat: Auf mehreren Bildern hielt er das emotionale Gestikulieren Zatopeks fest (siehe als ein Beispiel die Aufnahme oben). Nach 1968 musste Zatopek sein Engagement teuer bezahlen: Er verlor alle offiziellen Funktionen und musste zeitweise zur Strafe in einem Uranbergwerk arbeiten.
Das Leben geht weiter
 
Bild: Heinz Hosch

"Heinz Hosch hat nicht wie andere Pressefotografen aus dem sicheren Hotelzimmer die Massen fotografiert, er war immer mitten drin", erklärt Paul Divjak die besondere Bedeutung, die die Bilder für ihn haben.

Auch das Zusammentreffen von "Alltag" und Invasion habe ihn interessiert, und so entstanden Fotos wie beispielsweise das oben dargestellte, auf dem Frauen mit ihren Kinderwägen vor den Panzern abgebildet wurden.

Wann genau Heinz Hosch nach Wien zurückgekehrt ist, weiß man nicht. Wenige Bilder erschienen in der aktuellen Berichterstattung der "Presse" in den Tagen nach dem 21. August 1968. Der Rest verschwand auf Fotorollen im Archiv und wartete auf die Neubefragung 40 Jahre später.

Elke Ziegler, science.ORF.at, 20.8.08
...
Schwerpunkt im ORF Fernsehen
Der ORF widmet am Donnerstag, dem 21. August, dem Ende des "Prager Frühlings" einen Schwerpunkt. Nach einem "Menschen und Mächte Spezial" zum Thema folgen ein "Runder Tisch" und der Film "Der Bockerer IV - Prager Frühling".
->   Mehr dazu in tv.ORF.at
...
->   Mehr zum Thema im Ö1 Inforadio
->   Mehr zum Ende des Prager Frühlings in ORF.at
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010